Montag, 5. Juni 2023: Von der Königin empfangen!
Info:
Die Queen-City ist die Hauptstadt von Saskatchewan, aber nach Saskatoon nur die zweitgrößte Stadt der Provinz. Mit ca. 230.000 Menschen wirkt sie gemütlich. Großer Wert wird auf die Gestaltung des öffentlichen Raumes gelegt. Kultur und Wissenschaft sind von großer Bedeutung – was sich im Stadtbild widerspiegelt.
Meine Meinung:
Inzwischen ist die Liste von Orten, wo ich hingekommen bin und mich sofort wohl gefühlt habe, schon ziemlich lang. Lunenburg in Nova Scotia, St. John in New Brunswick, Quebec (in Quebec), Kingston, New Liskeard, Kapuskasing und Thunder Bay in Ontario, Vermilion Bay, und jetzt auch noch Regina. Benannt nach Königin Victoria – ja, es gab auch eine Königin vor Elisabeth II, aber an die können wir uns nicht persönlich erinnern. Die Queen-City ist einfach eine Schönheit. Mit einem normalen Verkehrsaufkommen. Ich war zwei Tage dort, und ich hätte es durchaus länger ausgehalten!
Tagebuch:
Ich hatte mich auf eine öde Fahrt durch die Prärie vorbereitet. Viele Leute hatten mich gewarnt: nur flach, nur fad.
Es ist überhaupt nicht langweilig! Es gibt so viel zu sehen! Schaut man nach rechts, sieht man die Ebene bis zum Horizont. Schaut man nach links, sieht man die Ebene bis zum Horizont. Abwechselnd Gras und Felder. Alle paar Kilometer Silos von gewaltigen Ausmaßen, die das dazugehörige Wohngebäude wie ein Puppenhaus aussehen lassen. Eine Menge Füchse, die in Sichtweite der Straße herumstreifen. Und über allem sehr viel Himmel. Der zeigt sich allerdings gelegentlich mit grandiosen Wolkengebilden, wofür ich dankbar bin, denn der zehnminütige Regenguss ersparte uns (schon wieder) die Fahrt zur Waschanlage. Es gibt hier, wie ja schon erwähnt, eine Menge Insekten. Und jedes einzelne von denen, die auf Annie Ways Windschutzscheibe jäh ihr Dasein beenden, schickt mir anschließend die gesamte Verwandtschaft nach, um mich kurz vor Sonnenuntergang in die Beine zu stechen.
Ich machte eine Nacht Zwischenstopp in einem Ort namens Virden – wieder so ein hübsches Städtchen!
Mit Manitoba verließen wir auch die Zeitzone. Jetzt sind wir in der Central Time Zone und schon acht Stunden nach Linz … das hat den eigenartigen Effekt, dass ich manchmal am Abend mit Freund:innen in Kontakt bin, die gerade am nächsten Tag aufgestanden sind. Oder dass ich nach dem Aufwachen erfahre, was am (für mich kommenden) Nachmittag in Österreich passiert ist.
Jetzt aber zu Regina!
Ich hatte einen kleinen Campingplatz ein paar Kilometer östlich der Stadt ausgesucht. Er heißt Buffalo Lookout und liegt, wie sollte es anders sein, direkt am Transcanada Highway. Ein Buffalo, nach dem man Ausschau halten könnte, hat sich dorthin wahrscheinlich seit dem letzten Jahrtausend keiner mehr verirrt. Trotzdem: Wir hatten eine tolle Aussicht auf – Erratet ihr nie! – die Ebene in Form von Gras und Feldern! Und auf sehr viel Himmel darüber. Ganz abgesehen davon, dass zwei Frauen aus Quebec plötzlich winkten, als ich heute mit Annie Way zurückkam – die kenne ich aus Winnipeg, und sie sind auch nach Alaska unterwegs. Sind hier eigentlich alle nach Alaska unterwegs?
Immer noch 32°C im Schatten der Bäume in der Prärie. Am ersten Nachmittag war ich am Lake Wascana bei der Universität, machte einen langen Spaziergang und schaute mir die Uni-Gebäude von außen an. Es war Sonntag, alles geschlossen.
Am zweiten Tag fuhr ich ins Stadtzentrum. Kein Problem angesichts des Verkehrs. Annie Way kann jetzt schon richtig gut einparken, und ich kenne mich bei Parkscheinautomaten bestens aus, sodass es meistens nach dem dritten Versuch klappt, das Ticket zu bekommen. Der Trick ist, die Kreditkarte reinzustecken und augenblicklich wieder rauszuziehen. Lässt man sie auch nur den Bruchteil einer Sekunde drinnen, verweigert das Gerät und erzählt dir, deine Kreditkarte ist ungültig. Also muss man so schnell sein, dass es gar nicht mitkriegt, dass die Kreditkarte ungültig sein könnte. Was sie nicht ist. Und überhaupt. Angesichts der Preise für Lebensmittel, die in etwa der Hälfte von denen in Österreich entsprechen, und der Kosten für Diesel und Campingplätze, die auch viel geringer sind, als ich kalkuliert hatte, und der Dinge, die ich sonst noch brauche – Eintrittskarten, Touren etc. -, die nicht halb so viel kosten, wie ich erwartet hatte, ist meine Kreditkarte nicht nur gültig, sondern kann auch aus dem Vollen schöpfen!
Mitten in der Stadt ein Park, umgeben von den wichtigsten Gebäuden, alle weniger als zwanzig Stockwerke hoch und architektonisch sehr einfallsreich … und was das Schönste ist: Sie bemalen gerade ihre Stadt.
Ich glaube, ich habe schon mehrmals erwähnt, wie sehr es mich begeistert, dass Kunst in Kanada eine so wichtige Rolle zu spielen scheint. Der öffentliche Raum und seine Gestaltung sind von großer Bedeutung. Neben den vielen Skulpturen, die überall zu finden sind, stößt man ständig auf lokale Kunstprojekte. Murals sind besonders beliebt.
Nicht nur die Wände in der Innenstadt dienen als „Leinwand“, sondern auch die Gehsteige!
Ansonsten: In den Wohngegenden rund ums relativ überschaubare Hochhauszentrum überall Bäume, deren Schatten diesen Tag mit 32°C im Schatten halbwegs erträglich machten.
Als es mir zu heiß wurde, bin ich zuerst in eine Mall geflüchtet und mit neuen Trekkingsandalen und einer reparierten Uhr herausgekommen. Ich bin nicht mehr zeitlos. Und der Herr war so nett, dass er nicht einmal etwas verlangt hat. Als ich ihm trotzdem einen Zehner gab, hat er sich total gefreut und sich mehrmals für den Schein bedankt, der so schön zur Uhr passt (violett). Trotzdem war es dermaßen irritierend, wieder zu wissen, wie spät es ist, dass ich die Uhr nach einer halben Stunde im Rucksack verstaute. Auf den Zahn der Zeit kann ich verzichten!
Und schließlich landete ich nach einem längeren Spaziergang wieder beim Wascana Center, und zwar im Royal Saskatchewan Museum. Dort haben sie den weltweit größten Tyrannosaurus Rex ausgestellt. Scotty heißt er. Sie haben nicht besonders viele Dinos in Saskatchewan gefunden, aber eben diesen Riesen. Und … Bitte, wie krieg ich das wieder aus meinem Hirn raus? … Die Ausscheidungen eines Tyrrex. Versteinert. Was sie auch nicht weniger macht.
Aber eigentlich ging es um die Entwicklung von Saskatchewan von vor einer Milliarde von Jahren bis heute. Also um Geologie (ach!), Paläontologie, Klimatologie, Biologie und Besiedlung durch die Menschen. Bisher dachte ich, es sei auf Grund von genetischen Vergleichen bewiesen, dass die ersten Menschen vor 18.000 bis 15.000 Jahren einwanderten, aber im Museum war da die Rede von vor 30.000 Jahren. Spannend auf jeden Fall.
Das Museum war richtig cool. Die wollten keinen Eintritt von mir, aber falls ich möchte, darf ich was spenden. Ich spendete. Weniger, als eine Eintrittskarte in Österreich gekostet hätte. Da wurden sie ganz aufgeregt, weil das so viel war.
Annie Way hatte am späteren Nachmittag Besuch. Gleich zweifach. Zuerst war da vorne bei der Windschutzscheibe eine Hummel oder eine Hornisse, das weiß ich nicht so genau, und da ich Hummeln zwar mag, aber vor Hornissen durchaus Respekt habe, öffnete ich die zwei vorderen Türen und die Schiebetür, in der Hoffnung, die Hummel oder die Hornisse würde rausfinden. Kaum waren die Türen offen, saß plötzlich eine Amsel herinnen. Auch vorne bei der Windschutzscheibe. Jetzt war nicht nur Annie Ways Windschutzscheibe außen befleckt, sondern auch ihr Armaturenbrett innen.
Ich hoffe jedenfalls stark, dass beide Tiere, die Hummel oder Hornisse und die Amsel, wieder rausgeflogen sind. Ich habe sie nämlich nicht wegfliegen sehen. Aber als ich das Armaturenbrett geputzt habe, war niemand mehr da. Wobei es sein könnte, dass sich die Hornisse oder Hummel irgendwo verkrochen haben könnte. Es muss ein paar Schlitze geben, denn Parkscheine und dergleichen verschwinden immer nach ein bis zwei Tagen, ohne dass ich sie entferne. Aber vielleicht tauchen sie irgendwann wieder auf. Die Socken sind ja auch zurückgekehrt.
Eine Erfolgsmeldung gibt es noch: Ich bin draufgekommen, wie man den Kühlschrank einschaltet! Ist sinnvoll bei 32°C im Schatten, noch dazu, wo Annie Way häufig gar nicht im Schatten steht.
SO, liebe Ursula!
Jetzt bin auch ich hier mit von der Partie! Trotz anfänglicher Berührungsängste, will ich mir Deine spannenden, detailgenauen, wie humorvollen Abenteuersequenzen nicht länger entgehen lassen. (Wenn wir schon vor Ort auf Deine hohe Erzählkunst zu verzichten haben!) Ich stelle mich Dir vor, wie Du abends, allein im Nirgendwo, emsig Deine TagesEindrücke nieder schreibst und dabei gelegentlich zufrieden und wohlig müde einnickst…. Aber das entspringt wohl meiner verklärten, wie vereinfachten Vorstellung von Abenteuer dieser Dimension. Für heute viel Schönes auf Deiner Fahrt! Ich eile schulwärts mit satten 66 +!
Umarmung, Gita
Ursula, du erzählst und beschreibst so anschaulich und mitreißend, dass ich jedesmal live dabei bin. Ein Mitreisender, der keinen Platz in Annie Way okkupiert, sozusagen ;-)) Ich freu mich auf die nächsten Etappen!