Freitag, 2. Juni 2023: Genau in der Mitte des Kontinents!
Info:
Die Hauptstadt von Manitoba ist mit 750.000 Menschen auch die größte Stadt der Provinz. Das Besondere ist wohl ihre Lage, denn sie ist vom Atlantik und vom Pazifik gleich weit entfernt.
Schon vor 11.500 Jahren war die Gegend am Zusammenfluss des Red Rivers und des Assiniboine Rivers, die heute “The Forks” genannt wird, besiedelt und wurde als Handelsplatz und Treffpunkt zwischen Ost – West und Nord – Süd genutzt. Hier nahmen auch die Métis ihren Ursprung, als europäische Trapper Frauen der First Nation heirateten. Die Métis zählen zusammen mit den Völkern der First Nation und den Inuit zu den drei indigenen Gruppen in Kanada. Der Name Winnipeg stammt aus der Sprache der Cree und der Ojibwe und bedeutet „schmutziges Wasser“. Beide Flüsse führen die rote Erde des Landes mit.
2010 war Winnipeg Kulturhauptstadt von Kanada. Es bietet viele Sehenswürdigkeiten. Wirklich. Man sollte sie sich ansehen.
Meine Meinung:
Winnipeg ist nett. Sehr viel Verkehr – und das sagt eine, die Toronto überlebt hat -, in den Vorstädten aus dem Boden gestampfte Siedlungen, wo ein graues oder braunes Haus dem nächsten gleicht, und dazwischen sehr viel Verkehr. Nettes Stadtzentrum.
Und trotzdem … Ich habe mich nicht wirklich wohlgefühlt.
Tagebuch:
Ich habe wahrscheinlich schon des Öfteren über KOA-Campingplätze geätzt, aber der außerhalb von Winnipeg macht das alles wieder wett. (Der bei Thunder Bay übrigens auch.) Ich fuhr brav, wie ich es von einer ordentlichen Touristin erwarte, in die Stadt hinein und staunte über den vielen Verkehr. Ich meine, Winnipeg ist doch nicht Toronto! Sondern nur ein Zehntel davon! Und die Umgebung ist Prärie – ja, wir sind schon im Flach- und Grasland, ohne Bären, dafür mit Füchsen und Bisons und Klapperschlangen -, da gibt’s auch keine großen Städte, wo die Leute dann zur Arbeit nach Winnipeg fahren würden … Wo kommen die vielen Autos her? Ferngesteuert mit Dummies, damit es nach mehr aussieht als es ist?
Immerhin, Annie Way brachte uns fröhlich auf einen Parkplatz in der Nähe des Museums für Menschenrechte und „The Forks“. Das ist die Stelle, wo der Red River und der Assiniboine River sich vereinigen und wo sich seit Jahrtausenden die Menschen verschiedener Völker trafen. Uralte Wege führen hier zusammen. Heute wird diese Tradition aufrechterhalten, es gibt viele Veranstaltungen im Park, und aus den alten Handelshäusern und Hallen sind moderne Einkaufsmärkte geworden – welche von der freundlichen Sorte.
Faszinierend auch die Fußgänger:innenbrücke „Esplanade Riel“ über den Red River! So stelle ich mir die Gleichwertigkeit aller Verkehrsteilnehmer:innen vor! Man muss nur als Fußgänger:in gelegentlich an den Rand hüpfen, um nicht von den Radfahrer:innen angefahren zu werden.
Ich war auch brav im Museum für Menschenrechte und ging die unzähligen Rampen hinauf bis unters Dach – ja, es ist ein langer Weg bis zur Gleichstellung aller Menschen. Tolles Museum! Aber eben wieder mal die Geschichte des Patriarchats, das beim Eingang in der großen Halle als „die“ Geschichte verkauft wird! Die Griechen werden gefeiert, weil sie die Demokratie erfunden haben sollen (die es auf den griechischen Inseln schon lange vorher gab, die aber von den einfallenden Stämmen zerstört wurde), dabei wurde vorsichtshalber nicht erwähnt, dass dieses Konstrukt, das sie dann als Demokratie bezeichneten, für den Großteil der Bevölkerung (Frauen und Sklav:innen) nicht galt, sondern nur für die Männer. Olympe de Gauche wird als Erste und Einzige in der großen Halle erwähnt.
Und dann gibt es auf einer anderen Ebene eine Menge Kojen, wo die einzelnen Themen abgehandelt werden. Indigene, Menschen mit Beeinträchtigungen, Kanadier:innen aus allen Teilen der Welt, Kinder, LGBTIQ, da kommen dann auch die Frauen vor. So setzt sich die Geschichte des Patriarchats fort. Unrühmlich, wie mir scheint.
Davon abgesehen ein tolles Museum, und die Architektur ist es auf jeden Fall wert, es sich anzuschauen. Ansonsten leider aus dem vorigen Jahrhundert.
Es hätte noch viel zu sehen gegeben in Winnipeg, aber ich hatte keine Lust mehr auf den vielen Verkehr. Davon abgesehen haben wir diesmal auf der Straße gleich zwei Fahrbahnen lahmgelegt. Von den vier in unserer Richtung. Mitten in der Stadt im Stoßverkehr. Wir standen einfach quer drinnen. Im 90-Grad-Winkel. Und wie immer Freundlichkeit, Geduld, Rücksichtnahme. Vielen Dank, liebe Autofahrerinnen und Autofahrer in Winnipeg – sofern ihr echt seid und wo auch immer ihr alle herkommen mögt!
Tags darauf machte ich mir einen gemütlichen Tag und verdrückte mich zu den Tieren. Ich hatte in Okanagan Falls im Süden British Columbias vor vielen Jahren einen Tierpark gesehen, der mich sehr beeindruckt hatte, und deshalb interessierte mich der Zoo von Winnipeg. Okay, nicht anders als bei uns, außer dass sie Eisbären nachzüchten. Angesichts der 32°C im Schatten der überraschend vielen Bäume, die es in der Prärie gibt, verzog ich mich für eine Weile zu den Eisbären, denn dort war es angenehm kühl.
Ansonsten wieder eine Menge netter Leute … Das macht das Reisen so spannend: Die vielen unterschiedlichen Menschen, die man trifft, die Meinungen, die man hört, die Lebensgeschichten … Das ist mindestens genau so interessant wie die Erfahrungen, die ich mache, die Dinge, die ich sehe und erlebe, und die Erkenntnisse, die ich gewinne.
Und ein bisschen ein schlechtes Gewissen habe ich schon, dass ich zu faul war, mir Winnipeg genauer anzusehen. Immerhin ist Winnie the Pooh nach der Stadt benannt! Eigentlich nach einem Bären, der nach der Stadt benannt war, aber trotzdem. Meine Ausrede sind die 32°C im Schatten. Aber im Nachhinein betrachtet: Was sind schon 32° im Schatten?