Montag, 24. Juli 2023: Bunte Farben in der Stadt, Blau im Eis und Gold im Bach!
Info:
Anchorage ist die größte Stadt Alaskas mit fast 300.000 Menschen und etwa 100.000 weiteren in der Umgebung – in Summe mehr als die Hälfte der Bevölkerung Alaskas mit 736.000 Einwohner:innen. Es liegt von Tokio, New York City und Frankfurt gleich weit entfernt. Der Direktflug nach Frankfurt dauert neun Stunden.
1867 verhandelte der US Secretary of State, William H. Seward, den Kauf Alaskas von Russland, und zwar um 7,2 Millionen Dollar (heutiger Wert etwa 100 Millionen Euro). Was damals von den politischen Gegnern als „Seward’s Folly“ abgetan wurde, erwies sich schnell als Glücksfall: 1888 wurde am Turnagain Arm, dem Fjord, wo sich jetzt Anchorage befindet, Gold gefunden.
Für den Bau der Eisenbahnlinie entstand 1915 eine Zeltsiedlung, die sich so rasch weiterentwickelte, dass sie schon 1920 zur Stadt erklärt wurde.
Am Karfreitag 1964 wurde Anchorage von einem verheerenden Erdbeben mit der Stärke 9,2 auf der Richterskala heimgesucht – das zweitschwerste, das jemals gemessen wurde. Es wird Good Friday Earthquake genannt. Ein Riss ging durch die 4th Avenue, die Hauptstraße von Downtown Anchorage, und der nördliche Teil der Stadt lag nach vier Minuten bis zu fünf Meter tiefer als zuvor. – Beim Wiederaufbau von Anchorage war es hilfreich, dass 1968 in Alaska auf Öl stieß.
In einem Land, in dem 82 % der Gemeinden nur per Schiff oder Flugzeug erreichbar sind, spielt der Flugverkehr eine völlig andere Rolle als bei uns. Der Flughafen von Anchorage ist nicht nur für Alaska selbst, sondern auch für den weltweiten Frachtverkehr von zentraler Bedeutung.
Neben dem Ted Stevens International Airport befindet sich die Lakehood Seaplane Base, der größte Wasserflughafen der Welt mit über tausend Flugzeugen und über 200 Flugbewegungen an normalen Tagen (manchmal über 500), wo es auch Start- und Landebahnen für kleine Flugzeuge gibt. Alaskas Buschpilot:innen können fast überall starten und landen – der Rekord für eine Landung liegt bei 9 ft 10 in (knapp unter 3 m). Fürs unebene Gelände werden die Flugzeuge mit großen “Buschreifen” oder “Tundrareifen” ausgestattet. Die Miete für einen Platz am Wasser beträgt 1.500 US$ monatlich, man wartet zwölf Jahre, um einen zu bekommen.
Gleichzeitig herrscht Hochbetrieb im Hafen: Über 90 % der Waren, die in Alaska benötigt werden, kommen per Schiff an. Und auch die Eisenbahn spielt für den Gütertransport innerhalb Alaskas eine wichtige Rolle.
Heute gibt es wieder Zeltsiedlungen in Anchorage. Die Stadt hat derzeit keine Strategie, wie man mit ca. 3.000 Obdachlosen umgehen soll. Ab September hat es in den Nächten Minusgrade, im Winter auch unter -30°C.
Meine Meinung:
Wieder am Meer! Auch wenn der Pazifik im Turnagain Arm sehr zahm daherkommt … Mir hat es in Anchorage sehr gut gefallen. Es ist eine unglaublich farbenprächtige Stadt!
Da der Campingplatz unterhalb eines großen öffentlichen Geländes lag, auf dem sich die meisten der Obdachlosen von Anchorage angesiedelt haben, bekam ich einen Einblick in die unwürdigen Zustände, unter denen diese Menschen hausen: kein Wasser, keine sanitären Anlagen, oft nur Plastikplanen. Während Covid bot man ihnen ein Dach über dem Kopf, aber heuer im Frühling entschied die Stadtregierung, dass sie aus diesen Gebäuden wieder rausmussten. Ich bin schon gespannt, ob und wie man das Problem lösen wird. Es gibt Privatinitiativen, aber die können keine 3.000 Leute versorgen, geschweige denn ihnen menschenwürdige Unterkünfte zur Verfügung stellen. Ich hoffe, es wird schnell etwas getan.
Tagebuch:
Auf der Fahrt vom Denali National Park nach Süden kommt man bei zwei Punkten vorbei, von wo aus man den Denali sehen kann. Wenn es nicht bewölkt ist.
Es war bewölkt.
Macht nichts. Ich habe im Denali National Park so viel gesehen und erlebt! Jetzt teile ich das Schicksal von 80 % der Besucher:innen, die den Denali nicht zu Gesicht bekommen. Soll mir nichts Schlimmeres passieren!
In Alaska ist normalerweise so gut wie kein Verkehr. Aber je näher man in Richtung Anchorage kommt, desto mehr tut sich auf dem Highway, der ab Palmer zu einer richtigen Autobahn wird.
In den folgenden zweieinhalb Tagen, die ich in Anchorage verbrachte, spazierte ich vom Campingplatz aus jeden Tag mindestens zweimal ins Zentrum und auch zum Coastal Trail, um ein bisschen Meeresluft zu schnuppern.
Vieles erinnert an das Erdbeben von 1964. Den Menschen ist bewusst, dass aufgrund der Plattentektonik so etwas jederzeit wieder passieren kann. Im Süden der Stadt befindet sich der Earthquake Park an einer Stelle, die vor dem Beben etwa fünfzehn Meter höher lag. Dort dauerte das Erdbeben neunzig Sekunden länger als in der Innenstadt. Die Wellen des Erdbebens sind noch zu sehen – teilweise bis zu fünf Meter hoch! Von den 76 Häusern, die dort standen, blieb nichts übrig. Die Menschen bildeten eine Kette und halfen sich gegenseitig durch die längsten fünfeinhalb Minuten ihres Lebens, sonst hätten viele nicht überlebt. Wenn man die Wellen heute sieht, versteht man, dass es an ein Wunder grenzt, dass es „nur“ dreizehn Tote gab.
Die Tektonik der Gegend ist nicht nur die Höhe des Berges, den ich nicht gesehen habe, verantwortlich. Es gibt jeden Tag hunderte kleiner Erdbeben, die allerdings nicht spürbar sind. Häufig schrillt der Tsunami-Alarm, so wie letzte Woche, als es im Pazifik ein stärkeres Erdbeben gab. Auch die Vulkane Alaskas entstanden durch den Druck, den die Pazifische Platte ausübt. Und für den Urlaub in Kalifornien brauchen wir in Zukunft unsere warmen Jacken: Kalifornien ist dabei, nach Norden zu wandern. Jedes Jahr ein paar Zentimeter.
Von Anchorage fuhr ich den Turnagain Arm entlang Richtung Portage zur Kenai-Halbinsel. Auf dem Portage Lake machte ich eine Bootstour, um mir den Gletscher anzusehen.
Warum schauen Gletscher bläulich aus? Gletscher gibt es dort, wo im Winter mehr Schnee fällt als im Sommer schmilzt. Schneekristalle sind sechseckig – man sieht das an den Schneeflocken. Da jedes Jahr mehr Schnee auf den Gletscher kommt, wird der untere Teil vom Gewicht des oberen zusammengedrückt. Durch diesen Druck wandelt sich der Schnee in Gletschereis, das heißt, die Eiskristalle sind sechseckig. Sie brechen das Licht in die Regenbogenfarben, wobei sie außer Blau alle anderen Farben absorbieren. Deshalb schimmern Gletscher blau.
Tausende Jahre altes Eis … ein Blick in die Vergangenheit. Für mich ein überwältigendes Erlebnis.
Danach fuhr ich wieder ein Stück zurück nach Girdwood, wo ich mitten im Nirgendwo bei einer ehemaligen Goldmine zwei Nächte verbrachte. Ohne Dusche. Und stellt euch vor, es war gar nicht so schlimm!
Der ursprüngliche Plan, mit der Seilbahn auf einen Berg zu fahren, war sinnlos, weil es bewölkt war und die Wolken vom Meer sehr tief daherkommen, sodass die Gipfel nicht zu sehen waren.
Also ging ich Goldwaschen im Crow Creek. Man zahlt 25 Dollar und darf alles behalten, was man findet. Letztes Jahr hatte ein Tourist ein hühnereigroßes Nugget in der Pfanne. Einige Leute aus der Umgebung holen sich immer noch ihren Lebensunterhalt aus dem Bach. Es war richtig lustig, es zu versuchen, und nach einer Weile hatte ich den Dreh raus – im wahrsten Sinne des Wortes. Zuerst sorgt man dafür, dass das Material in der Pfanne sauber ist, entfernt die größeren Steine – und dann bewegt man die Pfanne so lange, bis sich das Gold, das viel schwerer ist als die Steine, am Rand absetzt. Dann glitzert da plötzlich etwas und noch etwas und noch etwas. Ich hab’s ausprobiert. Ein Stein gleicher Größe ist viel leichter als Gold.
Was soll ich sagen? Ich habe meinen Fund in Annie Ways Oberschrank verstaut. Und ich brauche nie wieder arbeiten. 😉