Sonntag, 20. August 2023: Feuer!
Info:
Ganz im Süden von British Columbia liegt das Okanagan Tal, das Obst- und Weinbaugebiet Kanadas, und erinnert von der Landschaft her ein wenig an den Gardasee. Durch das milde, trockene Klima ist es als Urlaubsregion sehr beliebt, und auch viele Pensionist:innen siedeln sich hier an.
Etwa 360.000 Menschen leben in der Gegend, die größten Städte sind Kelowna, Penticton, Vernon und West Kelowna.
Am 17. August 2023 brach am McDougall Creek bei West Kelowna ein Feuer aus, das zur Evakuierung weiter Teile der Stadt führte und 189 Häuser zerstörte.
Das Städtchen Osoyoos liegt direkt an der Grenze zum US-Bundesstaat Washington und am wärmsten See Kanadas, der es gelegentlich auf 24°C bringt. Nördlich von Osoyoos gibt es die einzige heiße Wüste Kanadas.
Meine Meinung:
Mein Blick war durch den Rauch ein wenig getrübt. Die Gegend ist wunderschön.
Tagebuch:
Immer diese Entscheidungen! Vancouver oder Okanagan Valley?
Mir war nach Alaska noch nicht nach Großstadt, ich hatte schon Schwierigkeiten, die „vielen“ Menschen zu verkraften, als ich nach Süden unterwegs war. Also entschied ich mich für Okanagan. Das betont man übrigens auf der dritten Silbe: OkaNAgan.
Nach Organisieren war mir auch nicht, und so startete ich von Stewart los, ohne zu wissen, wo ich übernachten würde. Am Fraser Lake war da dieses Hinweisschild mit einem Wohnmobil drauf. Ich bog ab. Die gleichnamige Stadt stellte direkt am See ein Grundstück zur Verfügung, wo man gratis übernachten konnte. Das war nicht nur sehr schön, sondern insofern praktisch, weil der Stellplatznachbar ein kalifornischer Pot-Farmer war, der mir wertvolle Tipps für meine Weiterreise gab – was ich mir unbedingt ansehen musste und was ich auslassen konnte.
Je weiter ich nach Süden kam, desto trockener wurde die Landschaft. Ich freute mich auf Okanagan, wo ich vor 35 Jahren schon einmal war, und hatte das Tal in sehr guter Erinnerung.
In West Kelowna fand ich tatsächlich einen Campingplatz, obwohl ich nicht reserviert hatte. Es war aber der einzige freie Stellplatz.
Am Nachmittag saß ich gemütlich am Okanagan Lake. Als ich mich umdrehte und in die Richtung schaute, wo sich der Campingplatz befand, war da plötzlich eine Rauchwolke, die vom dahinterliegenden Hügel aufstieg.
Die Einheimischen waren der Meinung, das sei gar nichts, außerdem ginge der Wind in Richtung Feuer. Dem Feuer schien der Wind egal zu sein. In der Nacht schauten wir zu, wie der Wald am Hügel brannte – auf unserer Seite des Hügels. Es war schlichtweg gruselig, die Flammen in der Dunkelheit zu sehen. Unglaublich, wie hoch das Feuer über den Bäumen loderte!
Meine Campingnachbar:innen erklärten mir genau, was ich zu tun hatte, falls der Evakuierungsalarm kam, und ließen mich die Strecke, wie ich aus der Stadt rauskam, mehrmals wiederholen. Fahr bis Penticton, bleib ja nicht vorher stehen!
Am Morgen war das Feuer auf „unserer“ Seite des Hügels gelöscht – vorübergehend, wie sich herausstellen sollte.
Ich fuhr sofort nach dem Frühstück los Richtung Süden. Diesmal hatte ich einen Campingplatz gebucht, und Osoyoos schien mir weit genug weg vom Brand.
In Summerland nahm ich mein Mittagessen am Okanagan Lake ein. Der Ort verdankt seine Entstehung dem Cariboo-Gold Rush, denn viele Menschen, die nach Barkerville unterwegs waren, kamen hier durch.
Okanagan Falls war der nächste Stopp. Eigenartig, dass im Süden eine weiße Wolke stand …
Und so sah es dann in Osoyoos aus. Das ist kein Sonnenuntergang, sondern das war am frühen Nachmittag. Südlich des Ortes in den USA hatte es vor drei Wochen ein Feuer gegeben – und der Rauch stand noch immer in der Luft, beleuchtet von einer Sonne, die gelegentlich dunkelrot durchschimmerte.
Ich war so neugierig auf die Wüste bei Osoyoos gewesen, dass ich trotzdem blieb und sie mir ansah. Das Ökosystem, das hier beginnt, zieht sich weit nach Süden in die USA, wo es die gesamte westliche Hälfte des Bundesstaates Washington und ein beträchtliches Stück des Nordens von Oregon umfasst. Offiziell heißt es Antilope-Brush Ecosystem oder Semi-Arid-Shrub-Steppe. Hier leben auch Klapperschlangen.
Danach hatte ich genug von brennenden Augen, Halskratzen und einer rinnenden Nase und entfloh dem Rauch in Richtung Seattle. Dachte ich. Denn auch Seattle war nicht rauchfrei – allerdings im Vergleich zu Osoyoos schon eine große Erleichterung für die Atemwege.
Zwölf Tage nach Beginn des Brandes lagen in West Kelowna 189 Häuser in Schutt und Asche. Ich habe mir die Bilder im Internet angesehen. Ein eigenartiges Gefühl. Ich war dort, als es losging. Aber ich konnte in Annie Way steigen und wegfahren. Ich denke, dass ich unglaubliches Glück hatte. Ein wenig Kratzen in meinem Hals – das war alles … und so viele Menschen verloren ihr Zuhause.
Was sich heuer in Kanada in Bezug auf Wildfires abspielt, bricht alle Rekorde. Yellowknife im Northwest Territory ist evakuiert, die Menschen mussten ausgeflogen werden, wobei die Feuer derzeit den Status „being held“ haben – sie sind noch nicht unter Kontrolle, es ist aber unwahrscheinlich, dass sie sich weiter in Richtung Stadt ausbreiten. Auch in West Kelowna dürfen 8000 Leute noch immer nicht in ihre Häuser zurückkehren. Wildfires sind in Kanada “normal” und notwendig für die Diversität der Pflanzen und Tiere. Das extreme Ausmaß der letzten Jahre ist allerdings ein Produkt des Klimawandels – und verstärkt ihn zusätzlich.
Als ich am 29. August in Oregon spazieren ging, begann es völlig unerwartet zu regnen. Während ich eine Stunde lang ohne Regenschutz durch das Sauwetter marschierte, um zu Annie Way zurückzugelangen, sah ich viele Leute, die aus ihren Häusern kamen, glücklich in den Gärten standen und sich abregnen ließen. „Isn’t it wonderful!“, rief mir eine Frau zu, und ein Mann meinte strahlend: „Best weather we can have!“ – Das beste Wetter, das wir haben können! Ja, es war wirklich nicht übel. Als ich völlig durchnässt bei Annie Way ankam, hörte es zu regnen auf. Ein paar Minuten später schien wieder die Sonne.