Dienstag, 12. September 2023: Ein Weltwunder!
Info:
Der Grand Canyon zählt zu den sieben Natur-Weltwundern der Erde. Im Laufe der letzten sechs Millionen Jahre hat sich der Colorado River mit seinen Nebenflüssen in die Felsen eingegraben und dabei die Gesteinsschichten freigelegt. Offiziell ist der Grand Canyon 446 km lang, beginnt in Lees Ferry und endet in Grand Wash Cliffs. Da der Fluss in einer sehr engen Schlucht fließt, ist er von oben nur von wenigen Stellen aus zu sehen. Er entspringt in den Rocky Mountains in Colorado in 3.700 m Seehöhe und fließt auf seinem Weg in den Golf von Kalifornien 2.300 km durch mehrere Canyons. Nord- und Südkante des Grand Canyons sind nur 16 km voneinander entfernt, dazwischen geht es von 2.100 m Seehöhe 1.500 m hinunter, wobei die Nordkante (North Rim) und das umgebende Land 300 m höher liegen als die Südkante (South Rim).
Meine Meinung:
Obwohl ich schon zum dritten Mal beim Grand Canyon war, machte mich diese Landschaft wieder sprachlos. Sprachlos und unendlich dankbar.
Tagebuch:
Ich hatte für Annie Way einen Platz auf dem Village Campground in Tusayan gebucht, einem Dorf, das in der Nähe der Einfahrt zum National Park liegt und die üblichen Angebote für Tourist:innen bietet, allerdings auf eine überraschend angenehme Art.
Kurz nach unserer Ankunft buchte ich für den nächsten Tag einen Flug, und dann waren wir schon unterwegs in Richtung Grand Canyon, um den Sonnenuntergang nicht zu versäumen. Mittlerweile wird es schon sehr früh finster.
In der Nähe des Visitor Centers im National Park gibt es riesige Parkplätze. Während ich damit beschäftigt war, die Pflanzen der Umgebung zu fotografieren, ging ich ein Stück weiter und …
… und stand plötzlich an der Kante des Grand Canyon.
Atemberaubend. Und zwar so sehr, dass mir ein paar Tränen die Wangen hinunterliefen.
Zuerst war es bewölkt, sodass die Farben des Gesteins nur gedämpft erschienen, aber kurz bevor die Sonne unterging, schien sie in die Schlucht hinein und verwandelte die Landschaft in etwas, das so unbeschreiblich schön war und von den Dimensionen her so gigantisch, dass es schlichtweg unfassbar war.
Während die Sonne sank, wanderten die Schatten auf den Felswänden nach oben und veränderten die Farben, bis nur mehr die Spitzen der einzelnen Schichten beleuchtet waren – und schließlich auch diese dunkel wurden, während sich im Westen ein herrliches Abendrot zeigte.
Ich hatte ein wenig Schwierigkeiten, in der Finsternis zu Annie Way zurückzufinden. Entlang der Kante der Schlucht führt der Rim Trail, und ich hatte mir nicht gemerkt, wo ich zum Parkplatz abzweigen musste. Aber schließlich sagte mir doch mein Orientierungssinn, dass ich in meiner Begeisterung viel zu weit gegangen war. Es spricht ja prinzipiell nichts dagegen, zu weit zu gehen, aber in der Dunkelheit am Rand einer Schlucht, wo es senkrecht nach unten geht, ist das vielleicht nicht so gescheit.
Am nächsten Morgen, als ich gerade von der Dusche zurückkam – noch im Sweatlook und in den Badeschlapfen – redete mich der Nachbar an, der einen Campingbus fuhr, in dem – wäre er kein Campingbus gewesen – locker fünfzig Leute gemütlich sitzen hätten können. Er war aus Saskatchewan. Ich erzählte ihm, dass es mir dort so gut gefallen hatte und dass ich in Regina und im Grassland National Park gewesen war. Er meinte, er sei weiter nördlich zu Hause, in der Nähe von Saskatoon. Er hielt Pferde, und seine Frau züchtete Hunde.
Dann wies er mich darauf hin, dass Annie Ways rechter Hinterreifen zu wenig Luft hatte und ein wenig platt aussah. Um ehrlich zu sein, ich hatte es schon vermutet, war mir aber nicht sicher gewesen.
Der Nachbar kam mit einem Messgerät wieder und erklärte mir, dass da 15 pound fehlten. Der Riesenbus verfügte offensichtlich über eine eingebaute Werkstatt, und so konnte er den Reifen aufpumpen. Seine Frau lud mich für den Abend zum Campfire ein, denn sie wollte unbedingt etwas über mein großes Abenteuer erfahren.
So sehr hätte Annie Way sich nicht mit mir identifizieren müssen! Nur weil ich nach meinem Stolperer am Lake Tahoe rechts noch immer ein wenig humpelte, hätte sie sich nicht solidarisch erklären brauchen!
Der Nachbar sagte, er würde morgen wieder messen kommen, damit wir sehen, ob es eine einmalige Sache war oder ob Annie Way tatsächlich einen Patschen hatte. Ich hoffte inständig auf Einmaligkeit – wenn man vor dem Grand Canyon steht, darf auch einer Annie Way schon einmal die Luft wegblieben!
Pünktlich eine dreiviertel Stunde vor Abflug stand ich am Flughafen und checkte ein. Mit einer kleinen Maschine, die neunzehn Passagier:innen fasste und mit extra großen Fenstern ausgestattet war, ging es los in Richtung Canyon.
Leider war es wieder bewölkt, aber trotzdem … unbeschreiblich! Von oben war der Colorado River zu sehen, wie er sich in vielen Kurven durch den Canyon wand, den er selbst geschaffen hatte.
Als ich vor mehr als zwanzig Jahren mit meinem Sohn hier war, hatte ich ihm gesagt, sein Geburtstagsgeschenk sei sein Flugticket. Er glaubte, ich meinte den Flug nach Denver. Aber an seinem zwölften Geburtstag saßen wir in einer ähnlichen kleinen Maschine und flogen über den Grand Canyon – ein Erlebnis, das unvergesslich war.
Nach der Landung beeilte ich mich, wieder in den Nationalpark zu kommen. Ich wanderte ein Stück den Rim Trail entlang zum Yavapai Point und Geology Museum, denn ich war neugierig, wie der Canyon entstanden war und welche Gesteine die einzelnen Schichten bildeten, die der Colorado River in mühevoller Kleinarbeit freigelegt hatte.
Nirgendwo auf der Erde kann man die Gesteinsschichten und ihre Entstehung so gut sehen wie an den Wänden des Grand Canyons, weil die einzelnen Schichten horizontal verlaufen. Allerdings sind sie nicht vollständig vorhanden, denn in manchen Zeiten war die Verwitterung schneller als der Aufbau, in anderen kam es zu keiner Ablagerung.
Trotzdem ist der Blick auf die Felswände des Canyons ein Blick auf die Geschichte der Erde. Das jüngste Gestein ist an der Kante der Schlucht zu finden – die Kaibab Formation, die vor 270 Millionen Jahren als Ablagerung in einem warmen Meer entstanden ist. Je weiter man nach unten sieht, desto älter ist das Gestein. Die unterste Schicht ist bis zu 1,8 Milliarden Jahre alt und besteht aus Schiefer, Gneis und Granit.
Wo so viele Menschen herumwandern, leben trotzdem auch Tiere – gemütlich, wie es scheint, und ohne sich stören zu lassen.
Auch an diesem Tag war der Sonnenuntergang wieder ein unglaubliches Erlebnis.
Diesmal beeilte ich mich allerdings, danach so schnell wie möglich zu Annie Way zurückzukommen, um nicht wieder in der Finsternis nach dem richtigen Weg suchen zu müssen. Aber es war klar, ich musste unbedingt am Morgen vor meiner Abreise noch einmal herkommen.
Danach verbrachte ich einige gemütliche Stunden am Campfire mit dem Ehepaar aus Saskatchewan, wobei es allerdings empfindlich kalt wurde.
Die beiden fuhren in der Früh weg. Als ich von der Dusche zurückkam, wurde Annie Ways Reifen gerade wieder aufgepumpt, damit ich es in die nächste Stadt schaffen würde. Da gab es keine Diskussion – ich musste sofort nach Flagstaff fahren. Das sah selbst ich ein, wo ich sonst eher nicht zu vernünftigen Entscheidungen neige.
In Flagstaff wurde Annie Way von dem Nagel befreit, der in ihrem Reifen steckte, und als ich von einem kurzen Spaziergang zurückkam, war der Reifen bereits repariert und montiert. Man wünschte mir eine gute Reise und verlangte nichts.
So viel Hilfsbereitschaft auf einmal! Vielen Dank, Brent und Judy, für eure Aufmerksamkeit und spontane Hilfe! Ihr habt mich mindestens vor gröberen Schwierigkeiten bewahrt, vielleicht aber auch vor einem Unfall. Und vielen Dank an die Jungs in Flagstaff!
Was den Grand Canyon betrifft, zu dem ich am Morgen nicht mehr gefahren war, weil ich Angst hatte, dass Anny Way die Luft ausgehen könnte … Er gilt als Weltwunder.
Ja, genau das ist er.
Ein Wunder.