Montag, 25. September 2023: Die Musikstadt am Mississippi!
Info:
Wo sich heute die Stadt mit über 600.000 Menschen befindet (1,3 Millionen in der Metropolregion), lebten einst die Chickasaw. Reich wurde die Stadt durch die Baumwollplantagen und den Schiffsverkehr am Mississippi. Nach der Abschaffung der Sklaverei blieben trotzdem Baumwolle und Holz die wichtigsten Einkommensgrundlagen. Heute sind Transport und Logistik von großer Bedeutung. FedEx hat seinen Firmensitz in Memphis und ist der größte Arbeitgeber in der Stadt.
Was Musik betrifft, so ist Memphis Heimat von Erfinder:innen und Pionier:innen verschiedener Musik-Genres, unter anderem Memphis Soul, Memphis Blues, Gospel, Rock’n’Roll, Rockabilly, Memphis Rap und „Sharecropper“ Country Music.
Meine Meinung:
Schon allein wegen der vielen Geschichten ist Memphis einen Besuch wert. Abgesehen davon ist es eine sehr interessante und schöne Stadt. Und wo gibt es sonst eine Kreuzung, bei der die B.B. King Street und die Dr. Martin Luther King Jr. Ave zusammentreffen?
Tagebuch:
Auf der Fahrt in Richtung Memphis sah ich auf einem Feld auf einmal Früchte, von denen ich nicht wusste, was das war. Weiße Knollen. Bis mir klar wurde, dass ich mich hier im Baumwollgebiet der USA befand!
Der Mississippi ist die Grenze zwischen den Bundesstaaten Arkansas und Tennessee. Memphis liegt in Tennessee (wie wir seit Graceland von Paul Simon wissen), West Memphis in Arkansas. Verbunden sind die Bundesstaaten durch mehrere Brücken.
Ich machte zuerst einmal einen Bummel durch die legendäre Beale Street. In Cafés und Restaurants gibt es Live-Musik, dazwischen findet man in Souvenirläden alles, was das Tourist:innen-Herz begehrt …
Da ich mit den vielen musikalischen Themen, für die Memphis steht, ein wenig überfordert war, beschloss ich, eine geführte Tour mitzumachen, um einen Überblick über die Stadt zu bekommen. Außerdem wollte ich das Sun Studio sehen.
Dort war es, wo ein LKW-Fahrer namens Elvis Aaron Presley im Alter von 18 Jahren auftauchte – ja, das auf dem Foto ist die Tür, durch die er ging, das Studio bestand nur aus den Räumen dahinter. Der rechte Teil des Hauses wurde erst später dazugekauft und dient als Bar, Verkaufs- und Ausstellungsraum.
Kurz vor Weihnachten 1953 stand der besagte junge Mann im Büro des Sun Studios von Sam Phillips. Der war aber nicht da, was nichts ausmachte, denn seine Sekretärin Marion Keisker kannte sich im Studio aus und nahm für Elvis eine Platte auf, die er seinen Eltern zu Weihnachten schenken wollte. Von seiner Art zu singen war sie zu Tränen gerührt. Anschließend bekniete sie Sam Phillips, er möge doch den jungen Mann anrufen, aber der war nicht interessiert. Ein Jahr lang erinnerte sie ihn immer wieder an Elvis, und als er eines Tages für eine Aufnahme dringend einen Musiker brauchte, ließ er sich überreden, es mit Elvis zu versuchen. Also ging Elvis ein zweites Mal durch diese Tür.
Der Rest ist Geschichte.
Dass Sam Phillips die Lorbeeren und das Geld für die Entdeckung von Elvis einsteckte, ist ebenfalls Geschichte. In Graceland wird Marion Keisker nicht einmal erwähnt. Im Sun Studio befindet sich zumindest ein Bild von ihr bei ihrem ehemaligen Arbeitsplatz.
Und selbstverständlich hielt auch ich das Original-Mikrofon in der Hand, mit dem sie alle ihre ersten Aufnahmen gemacht haben: Elvis Presley, Ike Turner (der den Rock’n’Roll erfand und vor seiner unrühmlichen Berühmtheit tatsächlich Musiker war), B.B. King, Howlin Wolf, Johnny Cash und viele andere.
Graceland gehörte der mittlerweile verstorbenen Lisa Marie Presley, der Tochter von Elvis und Priscilla. Da die Erhaltung der Villa und der Ländereien Unsummen verschlang, waren Lisa Marie und Priscilla zum Handeln gezwungen. Sie öffneten das Anwesen für Besucher:innen. Mittlerweile ist Graceland, das Elvis damals um 100.000 Dollar erwarb, 500 Millionen wert und wirft jedes Jahr einen Gewinn von 10 Millionen ab. Die billigste Eintrittskarte kostet 79 Dollar plus Steuern, dazu kommt der Parkplatz.
Allerdings wird neben dem eigentlichen Haus und dem Garten auch sehr viel geboten: unzählige Ausstellungen zu verschiedenen Themen, zum Beispiel der Fuhrpark, die Flugzeuge, Elvis‘ Eltern, seine Kindheit, Elvis‘ Zeit in Deutschland beim Militär, die Kindheit von Lisa Marie, Elvis‘ Anzüge und Jumpsuits, schlichtweg alles, was nur in irgendeiner Form mit dem King of Rock’n’Roll zu tun hat oder haben könnte.
Eine Halle gibt es mit Bildern und Outfits anderer Stars, die von Elvis beeinflusst wurden. John Lennon wird zitiert mit „Before Elvis, there was nothing.“ Er meinte, ohne Elvis hätte es keine Beatles gegeben. Wer in dieser Halle allerdings komplett fehlt, ist ein anderer King, nämlich der King of Pop. Lisa Maries Lebensgeschichte erklärt wahrscheinlich, warum er nicht vorkommt.
Memphis ist die Wiege des Blues, des Rock’n’Rolls, des Souls, also der Musik, die von Schwarzen stammte. Aber es ist auch für eine Gräueltat bekannt. Der Friedensnobelpreisträger Dr. Martin Luther King Jr. wurde 1968 hier erschossen. Im Lorraine Motel, wo er auf dem Balkon stand, befindet sich heute das Museum für Civil Rights.
Neben der Kirche (Clayborn Temple), von wo aus die Arbeiter:innen-Streiks 1968 organisiert wurden, ist ein Monument mit allen Namen der Menschen, die damals an den Streiks beteiligt waren und damit sehr viel riskierten. „I AM A MAN“ stand auf den Schildern der Streikenden, da schwarze Männer von den Weißen häufig als „boy“ bezeichnet wurden. Die Müllmänner von Memphis verdienten so wenig, dass sie zusätzlich Sozialhilfe bekamen. Martin Luther King sagte ihnen, dass sie „men“ seien und das Recht auf Würde hätten.
Weil ich einmal im Leben eine Schifffahrt auf dem Mississippi machen wollte, buchte ich eine Tour auf einem traditionellen Mississippi-Schaufelraddampfer. Natürlich war das rote Schaufelrad eine Attrappe, aber es sah ansprechend aus. An Deck zu sitzen, sich zu unterhalten und Strawberry Margarita zu trinken, war schon sehr angenehm.
Geschichte/n:
Was jetzt kommt, ist ein Sammelsurium von Geschichten, Geschichtchen und Erinnerungen an einiges, was mir erzählt wurde, ganz einfach, damit ich es nicht vergesse.
Ein junger Mann namens Jim Stewart bat seine Schwester Estelle um Geld, um Stax Records gründen zu können. Sie willigte ein, unter der Bedingung, die Sache gemeinsam aufzuziehen. Sie kauften 1957 ein Kino und ließen die Sitze rausräumen. Die Akustik des Kino-Saals ergab einen ganz bestimmten Sound, der legendär werden sollte.
Aber so weit sind wir noch nicht. Zuerst wurden die Kinosessel ausgeräumt. Aus irgendeinem Grund tauchte dabei ein Busfahrer auf und fragte Jim Stewart vor dem Kino, ob er ihm im Studio etwas vorsingen dürfte. Der hatte keine Zeit, meinte aber, er könne gleich hier auf der Straße singen, er gäbe ihm drei Minuten.
Der Busfahrer begann zu singen. Nach etwa dreißig Sekunden winkte Stewart ab und sagte, das genüge. Dann kehrte er ins Gebäude zurück. Der Busfahrer rief ihm noch „Danke“ hinterher, ging zu seinem Bus und wollte wegfahren, als Stewart mit einigen Zetteln angelaufen kam. Er möge doch, bevor er fuhr, noch schnell seinen Vertrag unterschreiben und bitte so bald wie möglich im Studio erscheinen.
Der Name des Busfahrers war Otis Redding. Jener Soul-Sänger und Song Writer, der zum Beispiel „Respect“ schrieb, womit Aretha Franklin ihren Durchbruch hatte. “Respect” führt die Liste der 500 besten Songs aller Zeiten des Rolling Stone Magazins an.
Dauerte nicht lange, und die Beatles, damals schon weltberühmt, kamen nach Memphis. Otis saß am Abend davor mit seinen Freunden zusammen und meinte, es wäre sein Traum, einmal mit den Beatles zusammenzutreffen, aber die würden wahrscheinlich gar nicht wissen, dass es ihn gibt.
Die Beatles landeten, und kaum hatten sie das Flugzeug verlassen, meinten sie, dass es ihr Traum wäre, einmal mit Otis Redding zusammenzutreffen, aber ein Musiker wie der würde sich wahrscheinlich gar nicht mit ihnen abgeben.
So kam es zu einem Treffen zwischen Otis Redding und den Beatles, das für beide Seiten wegweisend wurde.
Otis Redding starb im Alter von 26 Jahren bei einem Flugzeugabsturz. In seinem Nachlass fanden sich einige nicht vollständige Songs, von denen man annimmt, dass er sie für eine Gemeinschaftsproduktion mit den Beatles vorbereitet hatte.
Zurück zu Elvis. Der zog im Alter von dreizehn Jahren mit seinen Eltern nach Memphis. Die original erhaltenen und gut gepflegten Räume der Mini-Wohnung kann man übrigens als Hotelzimmer mieten.
Zwei Straßen weiter wohnte Johnny Cash. Der wurde tatsächlich von Sam Phillips entdeckt.
Elvis musste zwei Jahre zum Militär nach Deutschland. Dort versah er seinen Dienst wie alle anderen auch, putzte freitags die Latrinen und fiel in keiner Weise auf – abgesehen von der Tatsache, dass er eben Elvis war. Wie viele andere wohnte er nicht in der Kaserne, sondern außerhalb, und zwar mit seinen Eltern und zwei Freunden. Zuerst logierten sie in Hotels, später kaufte er ein Haus, wo er abends auch Autogramme gab. Priscilla war fünfzehn, als er sie kennen lernte, er selbst 25.
Für Elvis war seine Mutter immer der wichtigste Mensch im Leben. Als Gladys in Deutschland erkrankte, ließ er sie nach Memphis zurückbringen – er besaß damals schon Graceland -, damit sie von ihrem eigenen Arzt behandelt werden konnte. Schließlich hatte er das Gefühl, dass es mit ihr zu Ende ging, und bat um Urlaub, um nach Hause zu fliegen. Der wurde ihm nicht gewährt, worauf er ankündigte, trotzdem zu verschwinden, was für das amerikanische Militär nicht gut aussehen würde. Man ließ ihn fliegen. Er saß stundenlang am Krankenbett seiner Mutter im Spital. Schließlich schickte sie ihn in der Nacht nach Hause. Kurz danach starb sie.
Nach zwei Jahren Militärdienst kehrte Elvis nach Memphis zurück. Irgendwann fand seine Freundin Anita Wood, mit der er seit acht Jahren zusammen war, die Liebesbriefe von Priscilla. Sie machte daraufhin mit ihm Schluss.
Es dauerte unendlich lang, bis Elvis darüber hinwegkam, nämlich sieben ganze Tage, dann rief er Priscillas Vater an und bat ihn, seine Tochter nach Memphis zurückzuschicken. Der Vater sagte zu unter der Bedingung, dass sie die Schule fertigmachte, nicht in Graceland wohnte und Elvis sie nach dem Abschluss der High School heiraten würde. Das mit dem Wohnort hielten die beiden nicht ein. Priscilla wohnte in Graceland, aber Elvis brachte sie jeden Morgen zur Schule und holte sie nach Unterrichtsende wieder ab. Als sie ihre Abschlussfeier hatte, wollte sie nicht, dass Elvis dabei war, weil sonst die ganze Aufmerksamkeit ihm gelten würde und nicht den jungen Leuten und ihren Erfolgen. Also wartete Elvis mit seinen Freunden tatsächlich vor der Tür, bis alle herauskamen.
Übrigens tanzte Elvis bei seinem eigenen Debütant:innen-Ball im Alter von sechzehn Jahren kein einziges Mal mit seiner Tanzpartnerin. Begründung: Er könne nicht tanzen.
In der Nähe der Beale Street gab es ein Geschäft mit kreativen Anzügen. Der Besitzer, Bernard Lansky, sah eines Tages einen jungen Mann vor der Auslage stehen und bat ihn herein. Der Junge meinte, er hätte jetzt noch kein Geld, aber eines Tages würde er diesen Laden aufkaufen. Lansky erwiderte, er solle ihn nicht aufkaufen, sondern lieber hier einkaufen. Auf diese Art begann die Freundschaft zwischen Elvis Presley und Bernard Lansky, der bald für seine Kostüme zuständig sein sollte. Und nicht nur für seine. Auch Johnny Cash und viele andere ließen sich von Lansky einkleiden.
Das Geschäft gibt es noch, Bernard Lanskys Sohn, mittlerweile selbst schon im Pensionsalter, lässt es sich nicht nehmen, täglich vorbeizuschauen.
Als Elvis aus Deutschland zurückkehrte, wurde ihm angeboten, Filmschauspieler zu werden. Er flog nach Hollywood, alles wurde ausgemacht, und er kam mit einem Drehbuch zurück nach Memphis. Einige Tage später flog er zum Drehbeginn wieder nach L.A. Da er nicht wusste, wie es beim Film zuging, hatte er vorsichtshalber nicht nur seine eigene Rolle, sondern das gesamte Drehbuch auswendig gelernt.
Schon davor hatte er sich intensiv mit dem Thema Film beschäftigt. Oft mietete er für seine Freunde und sich selbst ein Kino, wo sie sich einen Film ansahen. Wenn Elvis eine Szene noch einmal sehen wollte, weil er eine Bewegung oder einen Gesichtsausdruck interessant fand, musste die gesamte Filmrolle zurückgespult werden.
Eines Tages erfuhr eine Schülerin, die gerade ihren ersten Sommerjob in dem besagten Kino hatte, dass am Abend die öffentliche Vorstellung ausfiel, weil Elvis das Kino gemietet hatte. Sie verständigte ihre Freundin, die kam mit Schminksachen und entsprechender Kleidung, und die zwei versteckten sich in einem Schrank, aus dem sie auftauchten, als Elvis und seine Freunde schon da waren. Sie wurde zwar deshalb gefeuert, aber Elvis lud die beiden Mädchen ein, den Abend mit ihnen zu verbringen.
Eine Weile war es nicht klar, wer der King of Rock’n’Roll werden würde, Jerry Lee Lewis oder Elvis Presley. Bis Jerry Lee Lewis eines Tages in Großbritannien ankam und die Reporter ihn fragten, wer denn das Kind an seiner Seite sei. Das war seine dreizehnjährige Cousine, mit der er verheiratet war. In Europa ein Skandal.
Jerry Lee Lewis kam zurück und glaubte, dass das in den USA kein Thema wäre. War es aber dann doch.
Eine Sache fällt mir noch ein, und zwar Elvis‘ erster öffentlicher Auftritt. Er war als Vorband gebucht für eine Hill Billy Veranstaltung in einem Park in Memphis, wo es eine Freiluftbühne gab. Zweitausend Leute, die alle Country Music hören wollten. Und dann kam Elvis. Nicht das, was die Menge erwartet hatte. Vor allem sein Outfit und die Tatsache, dass er geschminkt war, führten dazu, dass er ausgelacht wurde. Elvis war in Wirklichkeit blond, er musste also seine Wimpern und Augenbrauen färben, damit es echt aussah. Für die Country Music Fans der Lacher schlechthin.
Aber kurz darauf schmachteten und kreischten die Frauen, während die Männer wütend die Fäuste ballten …
Elvis verschwand nach seinem Auftritt hinter der Bühne, weil er dachte, es vermasselt zu haben. Aber der Organisator meinte, er solle sofort wieder raus und das wiederholen. Elvis nahm das wörtlich und sang denselben Song noch einmal. Danach erklärte ihm der Organisator, er solle einen anderen Song singen. Elvis hatte damals insgesamt nur zwei Songs, nämlich den von der Vorderseite und den von der Rückseite der Single, die Marion Keisker vor Weihnachten für ihn aufgenommen und auf eine Schallplatte gepresst hatte …
Ein Jahr später kamen die Leute nicht mehr wegen Country Music zum Konzert im Park, sondern um Elvis Presley zu hören …
Elvis und Priscilla heirateten 1967, 1968 wurde Lisa Marie geboren. 1973 ließ sich das Paar scheiden.
Lisa Marie wird zitiert, dass sie trotzdem viel Zeit in Graceland verbrachte. Nach Graceland zu kommen bedeutete für sie, glücklich zu sein. So ganz automatisch.
Priscilla ist mittlerweile 78 Jahre alt. Sie machte Karriere als Schauspielerin und bekam noch einen Sohn, Navarone Garibaldi. Lisa Marie war Sängerin und Mutter von Benjamin und Riley Keough und den derzeit 14jährigen Zwillingen Finley und Harper Lockwood. Sie starb im Jänner 2023 mit 54 Jahren.
Freundinnen und Freunde der Familie sind der Meinung, dass Priscilla es war, die Elvis am Leben hielt.
Er starb 1977 im Alter von 42 Jahren.
Sie hatten die ganze Nacht nicht geschlafen. Zuerst hatte Elvis im Squash-Haus noch mit Freunden Klavier gespielt und gesungen, dann spielten sie bis zum Morgen Squash. Seine Freundin fand ihn am frühen Nachmittag tot im Bett. Herzversagen.
Elvis Aaron Presley, seine Eltern Gladys und Vernon Presley, seine Großmutter Minnie Mae Presley, seine Tochter Lisa Marie Presley und sein Enkel Benjamin Keough sind in Graceland begraben.