Dienstag, 16. August 2022: Was so geredet wird.
Hallo Leute,
wie geht’s euch so?
Ja, ich weiß, ich habe mich jetzt lang nicht gemeldet und damit meiner Gattung alle Ehre gemacht. Ich bin ein Faultier, kein Fleißtier. Seit die Ursula selbst alles aufschreibt, ist es auch nicht mehr notwendig, dass ich dauernd meinen Senf dazugebe. Außerdem, wenn die Ursula schreibt, sitzt sie auf meiner Sitzbank, und Leona Löwenfeld und ich können ihr über die Schulter schauen. Dadurch weiß ich genau, ob sie alles erzählt, was wichtig und richtig und wirklich wahr ist.
Im Normalfall tut sie das. Nur heute hat sie etwas ausgelassen. Aber nicht mit mir, nicht mit Sally the Sloth! Außerdem hat Leona Löwenfeld gemeint, das dürfen wir nicht verschweigen.
Ja, Leona und ich reden miteinander. Sie sagt zwar nichts, aber ich weiß, dass sie mir zuhört, und manchmal kommt es mir so vor, als würde sie nicken. Als ich sie gefragt habe, ob ich euch die Sache von heute erzählen soll, kam es mir auch so vor. Ganz sicher bin ich zwar nicht, aber ziemlich sicher. Zu zwanzig Prozent oder so.
Die Ursula und Annie Ways Navi verstehen sich ja nicht so besonders gut. Immer wieder kommt es zu Differenzen, wenn das Navi in die eine Richtung will und Ursula in die andere. Sie sind sich noch nicht einig, wer das Sagen hat. Das Navi redet oder zeigt irgendwas am Display an, und Ursula antwortet. Meistens antwortet sie freundlich, aber manchmal auch mit dem ganz bestimmten Wortschatz, den sie nur anwendet, wenn niemand außer uns in der Nähe ist und wenn etwas nicht so läuft, wie sie es sich vorstellt.
Heute hatten Annie Ways Navi und die Ursula eine eigenartige Diskussion. Nicht auf einer Strecke, wo es anzeigt, dass wir in 212 km links abbiegen sollen, sondern so mitten in einer Situation, wo die Ursula nicht wusste, wie’s weiterging.
Da zeigte das Navi plötzlich an, es müsse einmal so richtig Deutsch mit der Ursula reden.
„Wir reden die ganze Zeit Deutsch miteinander“, sagte die Ursula.
Einstellung.
„Was für eine Einstellung? Mach deinen Job, dann bin ich zufrieden. Und sag mir jetzt endlich, wo ich hinfahren muss!“
Gewicht.
„Verdammt, ich habe nicht zugenommen, ich weiß mein Gewicht ganz genau. Und nur weil ich beim Fahren immer M&Ms fresse, heißt das nicht, dass mein Gewicht nicht stimmt.“
„Einheit“, forderte das Navi.
„Annie Way und ich sind eine Einheit. Du bist nur dazugekauft und nachträglich eingebaut worden. Wenn du zur Einheit gehören willst, benimm dich gefälligst.“
„Deutsch?“
„Sch … noch mal, sag mir endlich, in welche Richtung ich fahren muss! Auf Deutsch oder sonst was, egal!“
„Biegen Sie in dreihundert Metern links ab.“
„Na geht doch. Mach deinen Job, dann stimmt meine Einstellung.“
Die Ursula knallte mit dem Zeigefinger dreimal auf „Weiter“ beim Touch-Screen, und alles war wieder in Ordnung.
Und ich kann bezeugen, dass die Ursula nicht zugenommen hat. Im Gegenteil, sie ist noch dünner geworden. Dafür hat sie Muskeln angesetzt. Vor dem Wegfahren von einem Campingplatz und nach dem Ankommen sind immer ein paar Sachen zu erledigen, damit hat sie sich am Anfang ziemlich geplagt. Aber jetzt hebt sie alles locker hoch und muss sich auch nicht mehr ganz so sehr mit dem Kabel anstrengen, das immer noch zickt, wenn es Annie Ways Steckdose verlassen soll. Nicht nur ich habe das bemerkt, Leona Löwenfeld ist auch dieser Meinung, dass die Ursula mehr Kraft bekommen hat.
So, Leute, bei mir wird dringend ein Nickerchen fällig. Wenn man wie wir das Leben mit einem Kompass und nicht mit einer Uhr lebt, kann das schon sehr anstrengend sein!
Eure Sally
Nett!!! Sehr unterhaltsam zu lesen, so richtig aus Ursulas Leben erzählt!