Donnerstag, 4. Mai 2023: Mit Annie Way und der Gang auf der Lighthouse Route!
Info:
Nova Scotia ist eine der 13 Provinzen und Territorien von Kanada. Mit einer Größe von ca. 55.000 km2 nimmt es etwas mehr als ein halbes Prozent der Gesamtfläche Kanadas ein. Es ist die zweitkleinste Provinz nach Prince Edward Island und mit fast einer Million Menschen auch die, die am zweitdichtesten besiedelt ist – wieder nach Prince Edward Island. Insgesamt handelt es sich um eine Halbinsel, aber auch einige Inseln gehören dazu. Umgeben wird Nova Scotia im Osten vom Atlantik, im Südwesten vom Golf von Maine, im Norden vom Golf von Sankt Lorenz und im Westen von der Bucht von Fundy.
Vor dem großen Irrtum von Christoph Columbus lebten hier die Mi’kmaq.
Meine Meinung:
Einer meiner ganz besonderen Lieblingsplätze auf diesem Planeten sind die Orkneys in Schottland. Dass ich in Neu Schottland (= Nova Scotia) eine Gegend finden würde, die mich ähnlich berührt, war überraschend. Ich freue mich schon darauf, im Oktober hier mehr Zeit zu verbringen.
Tagebuch:
Die Gelassenheit der Menschen in Kanada habe ich bereits am Flughafen in Montreal kennen gelernt. Genau so ging es weiter, ganz einfach entspannt, freundlich, offen, hilfsbereit.
Ich hatte zwei Nächte im Comfort Hotel in Halifax gebucht, weil Seabridge, die Agentur, die Annie Ways Reise organisiert hatte, das empfahl. Das Hotel liegt zu Fuß 15 Minuten vom Zoll entfernt, außerdem befindet sich das Büro der Spedition darin.
Auch im Hotel total freundliches Personal, zuvorkommend, alles blitzsauber, wenn auch im Stil der 70er Jahre. Aber Retro ist modern. Es hätte zwar nicht unbedingt Orange und Braun sein müssen …
Am nächsten Morgen saß ich zeitgerecht beim Frühstück und sah den Leuten zu, die sich am Buffet bedienten und anschließend ihre Tische sauber zurückließen. Ein erster Erkundungsgang ließ mein Herz höherschlagen: hashbrowns, Canadian bacon, scrambled eggs, dazu Toast mit Butter und jede Menge anderer Köstlichkeiten. Kanadischer Speck – wie sehr hatte ich mich darauf gefreut! Da ich einen anstrengenden Tag vor mir hatte, gönnte ich mir diesmal ein deftiges Frühstück. Dazu Cranberry Saft und Kaffee. Bei der Kaffeemaschine hatte man die Wahl zwischen „strong“, „normal“ und „light“. Ich dachte, mit normalem Kaffee würde ich nicht daneben liegen, und drückte auf die Taste.
Während ich mich durch die Bestandteile meines Frühstücks kostete und fast in einen Seligkeitstaumel verfiel – hashbrowns, Canadian bacon, cinnemon rolls -, griff ich nach dem Kaffeebecher und …
… und kehrte augenblicklich in die Realität zurück. Zuckerwasser. Nicht mehr und nicht weniger. Braunes Zuckerwasser.
Kurz darauf trat ich auf die Straße, eingehüllt in die Winterjacke, die ich mir letzten Sommer in Norwegen gekauft hatte, und marschierte los zum Zoll, wo Bethanie Milner von der Spedition mit den Papieren auf mich warten sollte.
Zum Glück ging ich vor halb neun los, um neun sollte ich dort sein. Es wäre ja nicht ich, wenn ich nicht in die falsche Richtung gegangen wäre. Trotzdem schaffte ich es mit Hilfe einiger Einheimischer, auf den rechten Weg zu gelangen und pünktlich, aber etwas außer Atem um neun Uhr beim Zoll einzulaufen, wo Miss Milner gemütlich auf einem Sessel im Vorraum auf mich wartete. Von einigen Leuten aus Deutschland, die ich beim Frühstück kennen gelernt hatte, wusste ich, dass wir im 15-Minuten-Takt eingeteilt waren. Ich ging rein zum Zoll mit drei Zetteln, die Dame nahm sie freundlich entgegen, gab mir zwei zurück und drückte einen Stempel auf den dritten. Zwei Minuten später war ich draußen.
Von Miss Milner hatte ich eine Liste mit hilfreichen Telefonnummern bekommen, also konnte ich ein Taxi rufen, das mich fünf Minuten später abholte und am Hafen ablieferte. Auch dort ging alles komplett entspannt, unkompliziert und freundlich über die Bühne. Eine Dame nahm mich in einem Pickup mit zu den Wohnmobilen, die auf ihre Abholung warteten – es waren unglaublich viele.
Und da stand sie, unversehrt und strahlend – Annie Way. Ich musste sie noch umrunden und nachsehen, ob drinnen alles in Ordnung war, und dann durfte ich sie begrüßen.
Selbstverständlich nahm ich mir die Zeit, zuerst einmal die Gang aus ihrem dunklen Oberschrank zu befreien. Weil sie so gut durchgehalten hatten, durften Sally, Leona und Leopold ausnahmsweise auf dem Beifahrer:innensitz Platz nehmen. Das hatten sie sich wirklich verdient.
Mein neues lila Handy lotste uns mit Google Maps zum Hotel zurück. Der Rest des Tages war mit diversen Arbeiten ausgefüllt. Ich musste einkaufen bei Walmart (weil man dort alles bekommt, sogar Gasflaschen), tanken (unglaublich, wie günstig!), Annie Way von seetüchtig auf wohntauglich umbauen und so weiter.
Am nächsten Tag ging es noch nicht gleich los.
Bei Walmart hatte man mir eine leere Gasflasche verkauft, obwohl ich gesagt hatte, dass sie viel zu leicht war. Auch der Preis schien mir für eine leere in Ordnung, für eine volle viel zu billig – sogar gemessen an den Preisen hier. Ich konnte gar nicht fassen, um wie viel billiger hier Lebensmittel und die Dinge des täglichen Bedarfs sind.
Petro Canada tauschte die leere Gasflasche gegen eine volle um und entschuldigte sich für Walmart. Und dann gab Sally das Startsignal – die Gang saß immer noch vorne, die drei bestanden darauf.
Wir fuhren nach Süden, die Küste entlang. Ich hatte für zwei Nächte ein Motelzimmer in Lunenburg gebucht. Ganz einfach, weil das Wetter immer noch saumäßig war, und was die Kälte betraf, so reichte meine norwegische Winterjacke nicht, sondern ich brauchte die ganz ganz warme, die mit Annie Way gekommen war.
Etwas südlich von Halifax bogen wir zur Küste ab in Richtung Peggy’s Cove. Und waren plötzlich mitten in Schottland. Ich wanderte eine Weile durch die Gegend und ging auch zum Leuchtturm. Die melancholische Stimmung, die bei diesem Wetter über allem schwebte, faszinierte mich.
Am Nachmittag kamen wir in Lunenburg an, wo ich das Zimmer im Motel bezog und dann noch einen langen Spaziergang durch das Städtchen machte. Schön, einfach nur schön! Lunenburgs Altstadt ist UNESCO Weltkulturerbe.
Am Abend stellte ich fest, dass der Herd nicht funktionierte. Irgendetwas mit dem Gas stimmte schon wieder nicht.
Am Donnerstag fuhren wir in Richtung Mahone Bay und Chester, also auf der Lighthouse Route ein Stück zurück. Auf dem Weg liegt Oak Island, wo sich einige reiche Leute seit Jahren damit aufhalten, einen Schatz zu bergen, von dem sie gar nicht wissen, ob es ihn gibt, und sich dabei so gut vermarkten, dass man brav zahlt, um eine Tour auf die Insel machen zu dürfen. 2023 bauen sie aber irgendetwas um, also gibt es nur Bootstouren.
Auf die Insel kommt man über einen Damm, der ist aber eine Privatstraße. Wir blieben davor stehen, und ich stieg aus, um mir Oak Island von weitem anzusehen.
Dann ging’s weiter nach Chester. Dort wollte ich hin, weil es Schauplatz der Fernsehserie Haven war, die auf dem Roman „Colorado Kid“ von Stephen King basierte, und weil die Gegend dort traumhaft aussah. Unglaublich, was für tolle Häuser es in Chester gibt! Offensichtlich die Heimat der Reichen und Schönen.
Gegen Abend versuchte ich wieder, Annie Ways Gasversorgung in den Griff zu bekommen. Ganz in der Nähe war eine Irving-Tankstelle, und der Herr an der Kassa schloss die Gasflasche richtig an – mit so viel Kraft und Werkzeug, dass ich nicht weiß, wie ich das jemals aufbekommen soll, wenn die Flasche leer ist – und trotzdem funktionierte der Herd nicht. Allerdings die Heizung, und das war schon sehr beruhigend, weil die Sicherheitsventile für Herd und Heizung unter der Sitzbank gleich nebeneinander liegen. Das heißt, dass bis zu dieser Stelle alles in Ordnung war.
Bevor wir am nächsten Tag wegfuhren, versuchte ich es noch mit Zureden. Zuerst mit gutem Zureden. Und siehe da, plötzlich sprang die Gasflamme am Herd an. Ein bisschen Freundlichkeit hat wohl noch nie geschadet. Und ein bisschen Geduld offensichtlich auch nicht, bis das Gas seinen Weg von der Flasche quer durch Annie Way zum Herd fand.
An diesem Tag landeten wir nicht in Amherst, wo ich mir im Internet einen Campingplatz mit dem schönen schottischen Namen Loch Lomond ausgesucht hatte, sondern ganz woanders. Umwege sind sowieso immer das Beste überhaupt.