Dienstag, 9. Mai 2023: Ein Strom, der in Wirklichkeit ein Meer ist, und das Rätsel der drei Socken.
Info:
Die Provinz Quebec ist die größte Kanadas. 8,5 Millionen Menschen leben auf einer Fläche von 1,5 Millionen km2. Zum Vergleich: In meiner Heimat Österreich leben 9 Millionen Menschen auf 84.000 km2.
Der Name Quebec bedeutet in der Sprache der Algonkin „Wo der Fluss enger wird“. Mit der französischen Sprache und ihrer Kultur stellt die Provinz eine eigenständige Gemeinschaft innerhalb Kanadas dar.
Reviere-du-Loup liegt am St. Lorenz Strom – also am Meer – und rühmt sich der schönen Sonnenuntergänge.
Meine Meinung:
Ich bin wieder einmal zufällig in einem Ort gelandet, ganz einfach, weil dort der Transcanada Highway – hier Transcanadienne genannt – am Meer ankommt. Diesmal bin ich drei Tage geblieben und hatte am vierten so wenig Lust wegzufahren, dass ich erst am Nachmittag aufbrach. Getan habe ich drei Tage lang nichts, außer am Strand spazieren zu gehen. Und am Strand spazieren zu gehen. Und am Strand zu sitzen und den Wellen zuzusehen. Und am Strand spazieren zu gehen. Und der Sonne beim Sinken zuzusehen. Hier will ich unbedingt im Herbst wieder herkommen!
Tagebuch:
Ich bin in meiner Reise angekommen. Auf einmal ist alles entspannt – als hätte ich irgendetwas im Griff. Tatsächlich stolpere ich nach wie vor von einem Hoppala ins nächste, aber das ist alles kein Problem mehr. Und was ich bisher erlebt habe, war nichts Spektakuläres – naja, die Reversing Falls schon und Lunenburg auch und Rockwood und Peggy’s Cove und … -, aber es war in Summe viel schöner, als ich es erhofft hatte.
Auf der Fahrt von Saint John nach Norden zum St. Lorenz Strom stehen alle paar Kilometer Schilder, dass man auf die Elche aufpassen soll. Ansonsten haben die Appalachen hier eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Mühlviertel, dem Granithochland nördlich der Donau in meiner Heimat. Nur dass selbst im Mühlviertel im Mai kein Schnee mehr herumliegt. Und dass es keine Elche gibt. Noch nicht. Es ändert sich ja derzeit alles. In Alberta wurde gerade der Notstand ausgerufen, weil es wegen der Trockenheit im Frühling (!) zu verheerenden Waldbränden kam. Dabei hieß es vor ein paar Jahren noch, Kanada würde zu den Gewinnern des Klimawandels gehören. Mittlerweile ist klar: Nichts und niemand kann bei der Klimakatastrophe gewinnen.
Wir fuhren also nach Norden, Leopold rutschte wie immer von seinem Sitz ab und hing im Sicherheitsgurt, aber sonst war alles in Ordnung. Elche sahen wir auch nicht. Dafür ein Schild einer gewissen Fastfood-Kette, die ich zu Hause gleich ums Eck habe und wo ich mir mindestens einmal wöchentlich eine Portion Pommes Frites hole. Large. Wenn schon, denn schon. Ist eh eine vegetarische Mahlzeit, also gesund.
Ich hatte angesichts der Strecke von 500 km ohnehin vorgehabt, eine oder zwei Pausen einzulegen, da kam mir das große M gerade recht. Eine Portion French Fries. Large.
Was ich bekam, ließ mich kurz erstarren. Large ist in Kanada etwas ganz anderes als in Österreich. Etwa 50 % mehr, schätzungsweise. Dafür billiger.
Ich verdrückte sie trotzdem tapfer, die French Fries, sind ja eh vegetarisch, also gesund.
Zurück zu der Strecke, wo uns kein Elch begegnet ist. Die Stadt Reviere-du-Loup hat zwei Campingplätze, beide auf der vorgelagerten Halbinsel gelegen, die die Mündung des Reviere-du-Loup (Wolfsfluss) in das St. Lorenz Ästuar bildet. Ja, ich habe ein neues Wort gelernt: Ästuar. Darunter versteht man eine Bucht, die durch die Mündung eines Flusses gebildet wird und den Gezeiten ausgesetzt ist. Der St. Lorenz Strom ist das weltweit größte Ästuar und erweitert sich zum Golf von St. Lorenz im Atlantik.
Der erste Campingplatz war noch geschlossen, wovon im Internet nichts stand, aber der Du Quai hatte seit zwei Tagen geöffnet. Also bekam Annie Way einen netten Platz mit Blick aufs Meer. Für mich ist das weltweit größte Ästuar schlichtweg ein Meer. Punkt. Was Ebbe und Flut hat, ist ein Meer. Da der Du Quai-Campingplatz landeinwärts liegt, hatten wir außerdem einen wunderschönen Ausblick auf die Stadt, und der Meereswind blieb uns erspart. Seit Norwegen bin ich ein wenig windgeschädigt. Fünf Minuten zu Fuß, und ich stand auf der anderen Seite der Halbinsel und hatte das große weite Meer vor mir, den St. Lorenz Strom.
Drei Tage lang habe ich nichts anderes getan, als an diesen Stränden spazieren zu gehen, auf Steinen zu sitzen und aufs Meer zu schauen, und so weiter. Im Grunde habe ich drei Tage lang nichts getan – und konnte gar nicht genug davon bekommen.
Doch, etwas habe ich gemacht. Wäsche gewaschen. Hier sind die Waschmaschinen ganz anders als bei uns, aber das schaffte ich. Dann kam die Sache mit dem Trockner. Ich habe ja ein etwas gestörtes Verhältnis zu Trocknern, weil ich mich nicht auskenne damit. Seit der Peinlichkeit in Gällivare in Schweden, wo ich den Techniker brauchte, um den Trockner wieder zu öffnen, bin ich außerdem ein wenig trocknergeschädigt. Das Beladen war nicht das Problem. Auch nicht die Auswahl des Programms. Um zu zwei Ein-Dollar-Münzen zu kommen, genügte es, fünf Leute am Campingplatz zu fragen.
40 Minuten, sagte die Anzeige, und der Trockner legte los. Nach vierzig Minuten kehrte ich zurück, der Trockner war tatsächlich fertig. Okay, die Nylonstrumpfhose musste ich entsorgen. Egal. Fröhlich knisternd und Funken sprühend kamen die verschiedenen Teile aus der Trommel. Aha. Ich erinnerte mich, damals in den USA immer irgendwas reingegeben zu haben, damit das nicht passierte. So etwas würde sich auftreiben lassen. Mein Lieblings-T-Shirt sah aus, als müsste ich ein wenig abnehmen, um es jemals wieder tragen zu können, aber das kann ein Irrtum sein. Auch meine Lieblingsjeans wirkten verdächtig schmal.
Was mich dann aber zum Nachdenken brachte, waren die Socken. Drei einzelne Socken, alle schwarz, alle eindeutig aus meiner Kollektion, aber unterschiedlich. Ich pflege meine Socken paarweise zu tragen, wirklich. Und es kann schon einmal vorkommen, dass eine einzelne Socke in der Waschmaschine liegenbleibt … was nicht der Fall war, ich kontrollierte sofort. Drei einzelne Socken … Und dann soll eine kein gestörtes Verhältnis zu Trocknern haben!
So viel zum Sockenrätsel.
Das nächste Mal komme ich ans Meer, wenn ich Alaska erreiche. Sofern ich Alaska erreiche.
Also verabschiedete ich mich heute am Vormittag von allen Camping-Nachbarn und -Nachbarinnen, die sich in den letzten drei Tagen meinetwegen mit Englisch abgemüht hatten, checkte aus und stellte Annie Way am Meer ab. Und dann machte ich zur Abwechslung einen Strandspaziergang.
Einen sehr langen Strandspaziergang.
Ich erinnere mich an den St. Lorenz Strom! Wenn man ihn sieht, bekommt der Begriff „Strom“ eine ganz neue Bedeutung. Weiterhin gute Fahrt! 😃
Könnte es eventuell sein, dass die Hose nicht dir, sondern Sally oder Leona gehört? Das würde die Ursula- inkompatible Größe erklären….
Um G’scher mit technischen Wunderwerken wie Trocknern zu vermeiden, verlasse ich mich auf eine Nylonschnur, Klupperl und Windkraft.
Was die drei ausgrbüchsten Socken jetzt wohl erleben?
Ganz deiner Meinung – deshalb hab ich ja so ein gestörtes Verhältnis zu Trocknern. Aber auf einem Campingplatz kann es durchaus kompliziert werden, die Wäsche aufzuhängen, wenn nicht zufällig geeignete Bäume für die Wäscheleine herumstehen.
Sally hat irgendwo in Annie Way zwei weitere Socken entdeckt, da passt eine zu einer von den drei, die als Singles aus dem Trockner gekommen sind. Bleiben wieder drei einzelne …
Lg!