Hallo Leute,
es wird Zeit, dass ich mich wieder mal zu Wort melde. Sonst wird die Sache zu Ursula-lastig und ihr erfahrt nicht, was sich wirklich ereignet hat.
Wir sind ja jetzt auch eine Band, was bedeutet, ich habe noch mehr zu tun als bisher. Hilde, Leona und Leopold haben mich gebeten, mit dem Singen aufzuhören und stattdessen die viel wichtigere Arbeit als Managerin zu übernehmen. Als Chefin kann man sich nicht aussuchen, was man macht, sondern man muss das tun, was notwendig ist. Die Lionfields brauchen eine Managerin, und das kann nur ich sein.
Die Hilde ist gerade auf dem Cyndi-Lauper-Trip. Zum Heulen schön! In letzter Zeit hat sich der Leopold auf Freddy Mercury spezialisiert. Der Wahnsinn schlechthin, diese Stimme! Und die Leona hat Janice Joplin für sich entdeckt. Neulich haben die Leona und der Leopold „I was born to love you“ im Duett gesungen. Leute, ich sage euch, da hat selbst das Faultier eine Gänsehaut bekommen.
Weil wir gerade bei Leona und Leopold sind … Die beiden sind wieder zusammen. Ist okay, denke ich. Diesmal nehmen sie es lockerer. Das könnte klappen.
Seit die Leona singt, redet sie. Am Anfang nur einen oder zwei Sätze jeden Tag. Aber letzte Woche ist ihr klar geworden, dass man auch etwas erzählen kann. Und seither ist sie nicht mehr zu stoppen. Sie quatscht andauernd, und zwar so viel, dass sogar der Leopold manchmal mit den Augen rollt. Als müsste sie alles nachholen. Nicht, dass uns ihr Dauergequassel bisher gefehlt hätte. Es hat uns gerade noch gefehlt.
In letzter Zeit hatten wir mit einigen Pannen zu kämpfen. Zuerst ist der Sockensack geplatzt, weil die Ursula drei weitere Paare aus diversen Trocknern gefischt hat. Ich verstehe nicht, warum sie rote Socken überhaupt mitnimmt, wo sie sie sowieso nicht trägt! Und graue. Und weiße. Was soll das?
Der Sockensack ist übrigens ein Stoffsack, da gehört schon ganz schön viel dazu, um den zum Platzen zu bringen. Als da 24 Paar Socken durch die Annie Way kollerten, sahen wir gleich, dass einige Singles darunter waren, von denen wir bisher nichts wussten. Aber wir sind ja noch ein paar Wochen unterwegs, vielleicht tauchen die anderen noch auf. Irgendwo in Kanada.
Ein anderes Mal hat Annie Ways Stufe bei der Schiebetür geklemmt und sich nicht einfahren lassen. Das geht normalerweise automatisch mit einem Schalter. Die Ursula hat dem Trittbrett kurzerhand Tritte versetzt, wodurch es sich ein Stückchen nach innen verschob, es wieder ausgefahren, eingefahren, bis es steckenblieb, getreten, soweit es ging, und so weiter. Nach ein paar Minuten hat es wieder funktioniert. Wahrscheinlich hatte sich nach einem Regen zu viel Gatsch angesammelt, und der war eingetrocknet. So zumindest hat es die Ursula erklärt.
Dann kam der Fall. Die Ursula hat die Annie Way beim Parkplatz am Strand vom Lake Tahoe abgestellt und ist verschwunden. Wir haben sie dann noch mit einem Kajak wegfahren sehen und waren ein wenig enttäuscht, dass sie uns nicht mitgenommen hat. Eine halbe Ewigkeit später ist sie zurückgekommen und den Strand entlang gegangen. Und wieder ohne uns! Ich meine, was denkt die sich eigentlich?
Eine ganze Ewigkeit später ist eine kreidebleiche Ursula dahergehumpelt und hat etwas von „patschert“ gemurmelt. Auch ein paar von den Wörtern, die zu wiederholen mir meine gute Erziehung verbietet, waren mehrfach zu hören. Sie hätte uns mitnehmen sollen, dann wäre sie sicher nicht gefallen!
Keine zwei Stunden später standen dann die Bären vor Annie Ways Schiebetür. Ganz ehrlich, da hatte ich schon faultierische Angst. Aber die Ursula hatte die Tür gerade vorher geschlossen. Von innen geschlossen. Oft genug sitzt sie ja draußen vor der geschlossenen Schiebetür, damit keine Fliegen reinkommen. Die Fliegen kommen zwar trotzdem rein, aber die sind ja ungefährlich. Ich will gar nicht daran denken, was passiert wäre, wenn die Ursula draußen gesessen wäre. Dann müssten sich die Lionfields eine neue Betätigung suchen. Ich hab’s übrigens immer noch nicht in den Oberschrank geschafft. Und wie schon das letzte Mal angekündigt, falls jemand eine Band sucht – die Lionfields stehen ab November zur Verfügung. Die Ursula hat im November auch schon wieder einen Lesungstermin. Dabei hat sie gar nichts literarisch Wertvolles geschrieben. Nur den Travelblog, und den kann man wirklich nicht als Kunst bezeichnen. Sonst wären meine Ergüsse ja auch Kunst!
Weil wir gerade bei den gefährlichen Tieren waren: Ich hab euch schon vor längerer Zeit erzählt, welche die gefährlichsten Tiere sind. Eichhörnchen, also squirrels und chipmunks. Sind sie tatsächlich. Am Lake Tahoe stand ein Schild, und auf dem Schild stand, dass sie die Pest übertragen und dass man sie bitte nicht füttern soll.
Die Pest! Leute, die PEST! Und wir haben uns wegen zwei flauschigen Schwarzbären fast angemacht! Die waren übrigens braun. Es waren aber trotzdem Schwarzbären. Auch Grizzlys sind nicht immer braun. Es gibt sogar weiße Grizzlys! Und auch squirrels gibt es in verschiedenen Farben und Größen. Manche sind so klein wie ich, andere so groß wie der Leopold.
Am Grand Canyon haben wir ganz schön lang auf die Ursula warten müssen. Und die Annie Way stand natürlich so, dass wir vom Grand Canyon – Was glaubt ihr, haben wir vom Grand Canyon gesehen? – Nichts. Schlichtweg gar nichts. Da waren Bäume davor. Das verzeihe ich der Ursula nie! Ich meine, dass sie den Leopold nicht mitschleppt, ist verständlich, der ist ja schwer. Aber die Hilde, die Leona und ich sind federleicht, uns könnte sie schon mitnehmen, wenn sie zum Grand Canyon geht. Dann wäre es ihr wahrscheinlich auch nicht passiert, dass sie nicht mehr zur Annie Way zurückgefunden hat, weil wir aufgepasst hätten. Es war schon sehr finster, als sie angeschlichen kam. Und ziemlich kleinlaut hat sie ausgesehen. Weil’s senkrecht hinunter geht und nirgendwo eine Absperrung ist. Was lernen wir daraus: Wenn du zum Grand Canyon gehst, nimm das Faultier mit!
In Memphis hat sie das Originalmikrofon von Elvis in der Hand gehabt. Und wer durfte nicht singen? Richtig, die Lionfields! Das wäre unsere Chance gewesen, auch im Sun Studio entdeckt zu werden. Aber nein, die Dame war wieder ohne uns unterwegs! Was wir uns alles gefallen lassen müssen! Und wer war nicht dabei, als sie im Ryman in Nashville auf der Bühne stand? Na, wer wohl?
Dafür haben wir eine eigene Hängematte bekommen. Die Ursula hat sich nämlich erinnert, dass sie eine Hängematte in Pink und Violett in Annie Ways Stauraum hat, aber weil an den Baumstämmen in ganz Nordamerika nichts aufgehängt werden darf, um die Bäume nicht zu schädigen, ist die Hängematte noch nie zum Einsatz gekommen. Die Ursula hat aber gemeint, dass wir mitsamt Leopold viel leichter sind als sie, also haben wir eine eigene Hängematte bekommen. Darin lässt es sich sehr gemütlich herumhängen. Trotzdem: Dass wir den Grand Canyon nicht gesehen haben und weder in Memphis noch in Nashville singen durften, verzeihe ich der Ursula nie!
Die Sache mit dem Reifen hat euch die Ursula ohnehin schon erzählt. Toll, wie hilfsbereit andere Leute sind! Und wie schön im Gleichklang sie gehatscht sind, die Ursula wegen ihres rechten Fußes und die Annie Way wegen ihres rechten hinteren Reifens. Das nenne ich Solidarität. Wir Lionfields haben uns da allerdings rausgehalten. Wir brauchen alle unsere Pfoten und Füße heil und belüftet, wenn wir im November unsere ersten Auftritte absolvieren wollen. Übrigens, habe ich schon erwähnt, dass wir ab November Termine frei haben?
Leopold der Lästige schaut mich schon wieder so streng an. Nicht nur ich sage, dass der Leopold lästig ist, auch die Leona sagt das. Aber aus einem anderen Grund.
Der Leopold will nämlich, dass ich die Sache von New York erzähle. Wir haben das besprochen. Und wir können ja gar nichts dafür, wir waren die Opfer. Also erzähle ich euch jetzt, was passiert ist. Die ganze Wahrheit.
Wir saßen zu dritt im finsteren Oberschrank auf dem finsteren Unterdeck der Atlantic Sail. Das war drei Tage, nachdem die Ursula uns eingesperrt und am Hafen abgegeben hat. Und weil uns natürlich fad war, haben wir gespielt. Der Leopold und ich. Die Hilde war ja in der Bestecklade. Und die Leona war damals noch sehr schweigsam, aber sie hat zugehört und gelegentlich gekichert. Dadurch haben wir gewusst, dass sie uns versteht. Der Leopold war gerade bei Stadt – Land – Fluss dran und leierte herunter: Valencia – Virginia – Vaal – Valisera – Victoria – Vielfraß – Veilchen – Veterinärmediziner oder -medizinerin – …
Da hörten wir ein Geräusch. Die Tür des Oberschranks, die ja nach oben aufklappt, wurde geöffnet, und ein uns völlig fremder Mensch sah uns an. Wir sind natürlich faultierisch erschrocken und dementsprechend erstarrt.
„Ja, was macht denn ihr da?“, fragte der Mensch freundlich. Es handelte sich um einen jungen Mann mit dunklen, kurzen Haaren. Wir schwiegen.
„Jetzt seid keine Spielverderber, ich habe euch doch gehört. Ihr könnt sprechen. Zumindest der Große da kann es.“ Wir schwiegen weiter.
Da wurden wir schon alle drei geschnappt und aus dem Oberschrank gehoben. Etwas unsanft, wenn ich bemerken darf. Und dabei habe ich sie gesehen. Die Tätowierung. So sehen Gang-Tätowierungen aus.
„Also, ich bin Antonio. Und wer seid ihr?“
„Ich bin der Leopold, und das ist …“
In dem Moment fiel mir ein, dass es vielleicht klug wäre, mir einen spanischen Namen zu geben, wenn wir es schon mit dem organisierten Verbrechen zu tun hatten. Ich bin ja nach Ursulas Tante Rosi benannt, die als Kind Sali genannt wurde. Deshalb sagte ich schnell: „Ich bin Rosalia.“
Der junge Mann starrte mich an. „Du bist Rosalia? Die Große Rosalia? Und das ist dann wohl Leopoldo, dein Leibwächter und der Mann fürs Grobe bei den Lionfields? Ach du meine Güte. Es ist mir eine Ehre!“ Er verbeugte sich etwas unbeholfen, aber sehr höflich.
Der Leopold hat mich mit großen Augen angeschaut, ich hab den Leopold mit großen Augen angeschaut, und es ist uns klar geworden, dass wir aus dieser Sache nicht mehr herauskommen. Ich habe ihm zugezwinkert, damit er mitspielt.
„Was soll das hier?“, habe ich mit strenger Stimme gefragt.
Der Antonio hat einen Moment gebraucht, um sich zu fassen. „Es ist … weil wir ja diesmal eine größere Menge als sonst mithaben … und da habe ich gedacht, dass bei den Wohnmobilen niemand nachschaut, denn nur die Lastwagen werden überprüft, also habe ich mir ein paar Schlüssel genommen, die hängen in einem Kasten, der ist zwar versperrt, aber man bringt ihn ganz leicht auf, und auf den Schlüsseln stehen die Autonummern, und so bin ich hier hereingekommen, weil ich etwas verstecken wollte und …“
„Ist ja schon gut“, habe ich den armen Kerl zu beruhigen versucht. „Das hast du gut gemacht.“ Ich meine, was hätte ich denn sonst sagen sollen?
Und wer zum … ist die Große Rosalia?
Nun, in diesem Fall war das wohl ich. Mit dem Leopoldo, dem Leibwächter und Mann fürs Grobe.
„Das ist aber mein Van, hier versteckst du nichts.“ Und dann hatte ich eine grandiose Idee. „Wir haben keine Lust, dass wir die ganze Zeit in diesem Oberschrank sitzen. Du nimmst uns jetzt mit in deine Kabine.“
Das hat der Antonio dann auch gemacht. Auf die Art sind wir genau drei Tage im dunklen, finsteren Oberschrank gesessen. Die Kabine vom Antonio war sehr gemütlich, und weil der sowieso arbeiten musste und die meiste Zeit nicht da war, hatten wir viel Spaß.
Der Leopold schaut schon wieder so streng. Ja, ich erzähle euch gleich, wie es weitergegangen ist. Ich meine, wir konnten ja wirklich nichts dafür. Aber kaum haben wir in Halifax im Hafen angelegt, hat uns der Antonio in eine Tasche gepackt und ist mit uns zum Flughafen gefahren. Wir sind nach New York geflogen. Im Handgepäck, verstaut im Oberschrank eines Fliegers! Hab ich schon erwähnt, dass ich eine gewisse Antipathie gegen Oberschränke zu hegen begann? Auch wenn ich unbedingt in Annie Ways Oberschrank will, weil da oben etwas Goldiges liegt, von dem wir nicht wissen, wie groß es ist. Hühnereigroß? Egal …
Ich erzähle ja eh schon weiter. Der Leopold ist wirklich lästig, so wie der mich anschaut! Dabei kann er so treuherzig dreinschauen, wenn die Ursula in der Nähe ist!
Kaum sind wir in New York gelandet, ist der Antonio von einer Stretchlimousine abgeholt worden. Dass die denn jedes Klischee erfüllen müssen? Aber es war sehr nett, und wir hatten viel Platz. Sehr viel Platz.
Dann hat uns der Antonio in ein Haus getragen und in einen Konferenzraum gebracht. „Die anderen sind alle gekommen, weil sie die Große Rosalia persönlich kennen lernen wollen.“
Meine Güte. Ich brauchte dringend einige Informationen. „Welche sind gekommen?“ Das war das Einzige, was mir eingefallen ist.
„Alle von der Bronx. Von jeder Gang der Chef oder die Chefin.“
Kennt ihr das Gefühl, wenn sich Verzweiflung in euch breit macht? Wenn sie langsam von den Fußkrallen nach oben kriecht, bis sie im Brustraum ankommt und ihr fast nicht mehr atmen könnt? Wenn euch plötzlich der kalte Schweiß den Pelz auf der Stirn verklebt? Die Schnauze zittert? Und das Herz in den Ohren klopft?
So hat sich die Große Rosalia in diesem Moment gefühlt und sich nichts mehr gewünscht, als einfach nur Sally the Sloth zu sein und im dunklen, finsteren Oberschrank von Annie Way zu sitzen, zusammen mit Leopold und Leona, und Stadt – Land – Fluss zu spielen, und wenn es sein muss sogar mit X oder Y. Meine Antipathie gegen Oberschränke hat sich in eine große Sehnsucht verwandelt.
Aber mir ist gar keine Zeit geblieben, über irgendetwas nachzudenken, schon gar nicht über Oberschränke. Da hat wirklich eine Gruppe von Männern und Frauen gewartet, und sie sind alle ganz höflich aufgestanden, als wir eintraten. Ich meine, der Antonio ist eingetreten, der Leopold, die Leona und ich sind ja getragen worden.
Der Antonio hat uns auf den Tisch gesetzt, und zwar ans lange Ende, und ich habe den Herren und Damen der Reihe nach huldvoll zugenickt. Zumindest habe ich versucht, dass es irgendwie huldvoll gewirkt hat, auch wenn es hoffnungslos war. Da war kein Oberschrank, in den ich verschwinden hätte können …
Was sollte ich ihnen sagen? Was weiß das Faultier schon über New Yorker Gangs? Und genau in diesem Moment ist mir die rettende Idee gekommen. Wieso soll ich denn etwas sagen? Ich war die Große Rosalia. Die sollten mir gefälligst etwas erzählen!
„Schön, euch kennen zu lernen. Ich möchte, dass ihr mir der Reihe nach erzählt, was in eurer Hood los ist. Wie es läuft, wie ihr euer Geld verdient und welche Probleme es gibt.“
Dann sah ich den ersten Herrn, der links von mir saß, auffordernd an. Zumindest hoffte ich, dass es auffordernd wirkte. Aber ich hätte mir gar nicht so viele Sorgen machen brauchen. Allein die Tatsache, dass sie mich für die Große Rosalia hielten, reichte, dass sie aufs Wort gehorchten. Ob mir Ursula auch aufs Wort gehorchen wird, wenn sie erfährt, wer ich in Wirklichkeit bin? Aber die Ursula würde mich eher in der Wildnis mitten unter einer Horde Eichhörnchen aussetzen, als sich von mir herumkommandieren zu lassen. Und das, obwohl ich doch die Chefin bin!
Schön brav haben sie der Reihe nach Bericht erstattet, die Bosse der Gangs, und im Grunde haben sie alle dasselbe erzählt. Dieselben Probleme, dieselben Sorgen. Und was völlig gefehlt hat, waren Erfolge. Zumindest wenn man sich weigert, Morde an den Mitgliedern anderer Gangs als Erfolge zu betrachten.
Als der letzte fertig war, habe ich das Wort ergriffen. Und habe zusammengefasst, was ich gehört habe. Flankiert vom Leopold und der Leona, habe ich mich sehr stark gefühlt. Die Gang-Chefs und Chefinnen haben das bestätigt, dass sie alle dieselben Probleme haben. Dass die Polizei mittlerweile weiß, dass Waffen in Kinderwägen transportiert werden. Und Drogen in Teddybären oder Plüschlöwen. Dass dauernd Jugendliche umgebracht werden.
„Ich habe genug davon. Ich will das nicht mehr. Und seid ehrlich, ihr wollt das auch nicht.“
Und so ist es gekommen, dass sie alle Frieden miteinander geschlossen haben.
Dann habe ich mich an Antonio gewandt. „Wir müssen am 2. Mai in Halifax am Hafen sein. Da werden wir abgeholt.“
Als der Antonio mit uns in die Stretchlimousine steigen wollte, war er kurz abgelenkt, weil so viel Verkehr auf der Straße war und ein Auto gehupt hat, und deshalb ist ihm der Leopold aus der Hand gerutscht. Der ist ja auch wirklich sehr schwer. Das Schlimme aber war, dass es vorher geregnet hatte, und der Leopold beinahe in einer Pfütze gelandet wäre. Die Ursula hätte sich schön gewundert, wenn sie einen pudelnassen Löwen im Oberschrank gefunden hätte.
Apropos Oberschrank: Kurz darauf sind wir wieder in einem gesessen, und zwar im Flugzeug, und dann in Annie Ways Oberschrank, aus dem wir drei Stunden später von Ursula befreit wurden und so tun mussten, als wäre das alles ganz furchtbar gewesen.
War es auch. Aber anders furchtbar, als die Ursula geglaubt hat. Und wir konnten ja wirklich nichts dafür!
Der Leopold schaut schon wieder so streng. Ich habe doch jetzt wirklich alles erzählt! Die ganze, reine, wirkliche Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Das bisschen, das ich ausgelassen habe, ist überhaupt nicht wichtig.
Außerdem tun mir vom Schreiben schon die Pfoten weh. Ich bin ein Faultier, fürs Fleißig-Sein bin ich nicht erschaffen. Aber da bin ich ohnehin in guter Gesellschaft. So ein Löwe schläft 22 Stunden am Tag. Eine Löwin nicht ganz so lang, aber auch.
Leute, ich hoffe, ich habe euch mit diesen Enthüllungen nicht den Tag verdorben. Ich hätte sie euch ja gern erspart, wenn der Leopold nicht so lästig gewesen wäre. Der schaut immer noch so streng. Der ist nur treuherzig, wenn die Ursula da ist. Dann solltet ihr ihn sehen, wie entzückend und putzig er sein kann.
Jetzt passt ihm wieder nicht, dass ich ihn als putzig bezeichne. Egal, ich höre jetzt auf und hau mich in die Hängematte. Rumhängen. Das hat was. Solltet ihr auch machen!
Eure Sally